Wie das Gift der Ständegesellschaft den Tod überdauert

Henning Sussebach hat in der ZEIT ein interessantes Dossier über „Die Angst des Friedhofs vor dem Tod“ geschrieben. In seinem Bericht über den Hamburger Großfriedhof in Ohlsdorf „wächst die Sorge ums Geschäft“. Auch ein Friedhof muss schwarze Zahlen bringen, gerade hier hat die Farbe Schwarz eine besondere Bedeutung.

Und spätestens seitdem die katholische Kirche auf dem 2.Vatikanischen Konzil 1963 „ihren Frieden mit der Kremation“ gemacht hat, sinken nicht nur die Urnen sondern auch die Umsätze ins bodenlose. Die preiswerte Urnenbestattung ist in Deutschland „von 0,02 Prozent im Jahr 1900 auf mehr als 50 Prozent gestiegen“  und daher herrscht jetzt Totengräber-Stimmung.

Um überleben zu können muss sich auch der Friedhofsleiter Wolfgang Purwin den gesellschaftlichen Bedingungen anpassen. Bei einer harten Konkurrenz um die armen Teufel, die es nicht mehr nach oben geschafft haben, muss er eine Marktlücke nutzen. So verwendet er nicht nur biologisch abbaubare Urnen auf den anonymen Grabfeldern. Da das Kostenbewusstsein seiner Kunden wie die Aktienkurse immer weiter steigen muss, haben sich in Hamburg schon so viele Menschen für „die anonyme Urnenbestattung für 849 €“ entschieden, die wo anders ein komplettes Fußballstation füllen würden.

Um nötige Neuzugänge sichern zu können ist „Anja Wiebke, laut Visitenkarte ‹‹Leiterin Marketing und Vertrieb››“ ständig auf Achse. Sie verkauft den Senioren auf der Bustour durch die zentrale Friedhofsallee die schönsten Plätze für die Zeit danach.

„So wie Volkswagen nicht mehr nur mit dem Golf auskommt, hat Ohlsdorf mittlerweile zielgruppengenau zugeschnittene ‹‹Themen- und Konzeptgrabstätten›› im Programm: überbordende Schmetterlingsgärten. Romantische Rosenhaine. Mediterrane Kolumbarien, in denen Vitrinen stehen. Paaranlagen.“ (Sussebach, In: DIE ZEIT. 24.10.13. S. 16)

Wer es sich leisten kann darf hier in ‹‹herausgehobenem Niveau›› und einem „Premiumgrab“ seine letzte Ruhe finden. ‹‹Standard›› und ‹‹gehobener Standard›› sind dann für die Mittelschicht vorbehalten, die sich bekanntermaßen immer seltener blicken lässt. Doch für eine wachsende Mehrheit bleibt ja zum Glück immer noch eines: „Im Internet haben Onlinefriedhöfe mit Namen wie ‹‹Stayalive›› und ‹‹Straße der Besten›› eröffnet.“

Doch wer sich hieran stößt will sich wohl nicht in sein selbst geschaufeltes Grab legen. Wie der Krematoriumsleiter Sandy Sven Vogt sagt:

„‹‹Was du zu Lebzeiten gelebt hast, erlebst du auch im Tod››…und erzählt, dass die zähen Drahtigen oft länger brennen als gemütlichen Dicke. Und das Krebskranke in den Öfen häufig ihr allerletztes Martyrium durchlaufen: ‹‹Nach langer Chemotherapie sind deren Körper fast feuerfest. Die brauchen doppelt so lange.››“

Und sagt weiter zum gesellschaftlichen Wandel…

„‹‹Der Mensch ist eines der wenigen Tiere auf der Erde, die am Ende der Nahrungskette stehen…bei ihm sammelt sich alles›› Quecksilber, Antibiotika, Pestizide, Weichmacher. In den Filtern des Krematoriums finden sich immer mehr Dioxine und Furane. Die Rückstände lässt Voigt unterirdisch verklappen, in einem stillgelegten Bergwerk. Als Sondermüll.“ (Sussebach, In: DIE ZEIT. 24.10.13. S. 16)

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