Trotz trüben Wetters versuche ich heute mal einen Blick auf den Brienzer See zu werfen. Der Aufstieg beginnt bei der Harderbahn Talstation (Standort auf 6 Uhr in der Lagekarte) in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Interlaken Ost, Camping Interlaken, dem Youth Hostel am Bahnhof bzw. der Backbacker Villa Sonnenhof. Laut Wegweiser habe ich bis zum Harderkulm einen 2 h 20 min. Aufstieg vor mir.
Schon nach wenigen Metern sehe ich wie sich die Aare durch Interlaken in Richtung Thuner See schlängelt.
Dem Wegweiser bei Bleikiwald folge ich und gehe links hinauf zur Hardermatte. Der beginnende Regen hört auch schon bald wieder auf. Hier sehe ich das es noch ca. 20 Minuten zum Harderkulm sind. Dort angekommen genieße ich einen herrlichen 180° Blick auf Brienzer See, Interlaken und Thuner See. Die Gaststätte nehme ich nicht in Anspruch, schließlich habe ich genügend Proviant dabei. Ich will schließlich weiter nach oben auf den Hardergrad in Richtung Augstmatthorn.
Mittlerweile zeigt sich auch schon die Sonne, die eigentlich für gestern vorausgesagt worden ist. Unterwegs erfreue ich mich an der atemberaubenden Farbenpracht dieser Naturlandschaft. Der blaue Himmel mit den weißen Wolken, das Grün der Fichten, grau-braun der Berge und türkis-blau des Brienzer Sees bilden eine malerische Landschaft ab.
Das Dreigestirn, bestehend aus Eiger, Mönch und Jungfrau, ist dabei allgegenwärtig. Weiter im Schritt passiere ich die Wegweiser Wanniwald, Roteflue und Ober Horet. Dabei gelange ich später unbeabsichtigt zur Balmhütte des hiesigen Skiklubs. Jetzt bin endgültig vom Goldenen Herbst überzeugt.
Der Hardergrat führt mich weiter Richtung Augstmatthorn, die Strecke ist nach den letzten Regenfällen lehmig und rutschig. Bei nassem Wetter sollte man ihn wohl besser meiden. Doch ich gehe weiter und tauche in die umherziehenden Wolken ein.
Eigentlich macht ein weiterer Aufstieg in die Wolkendecke keinen Sinn, denke ich mir – und folge dem Grat trotzdem weiter hinauf. Dabei passiere ich die Wegweiser auf Horetegg und Hardergrat/Tritt. Schließlich befinde ich mich nach einem steilen Aufstieg mitten in den Wolken auf Suggiture. Ich will schon wieder absteigen und auf einmal, wie durch Geisterhand, öffnet sich auf einmal der Himmel.
Sehr plötzlich wird ein wunderschönes Alpenpanorama mit Brienzer See im Tal und den umgebenden Gletschern am Horizont sichtbar. Immer wieder wabern mir Wolken vor die Linse, doch sie lösen auch schnell wieder in Luft auf.
Am liebsten will ich auch hier verharren und dem Ausblick genießen. Proviant habe ich auch noch, schließlich soll man immer Reserven schaffen. Und wie gerne würde ich dann noch weiter auf das Augstmatthorn steigen. Ein Blick auf die Uhr bringt bei aller Schönheit die Ernüchterung, schließlich muss ich bei Einbruch der Dämmerung im Tal sein. Ich entscheide mich schweren Herzens für den Abstieg über Niederried. Dort kann ich am Bahnhof mit dem nächsten Zug zurück Richtung Interlaken fahren.
Doch dann versperrt mir plötzlich ein bischen weiter unten jemand den Weg.
Ich komme näher und denke, der wird schon weggehen. Doch er denkt anscheinend nicht einmal daran. Stattdessen flößt mir dieser kapitale Bock mit seinen großen Hörnern Ehrfurcht ein. Sieht er mich als Rivalen, als Eindringling? Die Steinböcke auf dem Gemmenalphorn waren kleiner, wirkten unbekümmert. Ich versuche einen Bogen um hin zu machen, doch das ist nicht einfach im Gebirge.
Er guckt mich also an, als sei ich in sein Territorium eingedrungen. In gewisser Weise hat er ja auch recht. Vielleicht fragt er sich auch nur, was für ein seltsames Wesen hier rumläuft. Ich schaffe es an ihm vorbei zu kommen, viel Zeit habe ich ja nicht mehr bis die Dämmerung beginnt. Doch die Erleichterung währt nicht lange, es ist hier oben nicht allein.
Schon steht der nächste Bock im Weg. Wie die anderen gibt auch er bei meinem Anblick einen Pfiff von sich. Warnt er jetzt mich oder die anderen? Wenn so ein ausgewachsener Bock direkt vor Dir steht, flößt das schon Respekt ein. Ob ich nicht doch besser umkehre? Dafür bleibt keine Zeit. Ich müsste wieder hoch und dann ist die Zeit eh schon knapp.
Doch sie merken wohl dass ich keine Gefahr für sie bin und kehren mir den Rücken.
So sehe ich auf dem Abstieg auch noch Gemse und schaffe es rechtzeitig zum Einbruch der Dämmerung in den Ort Niederried. Gerne warte ich an diesem idyllisch am Brienzer See gelegenen Bahnhof auf den nächsten Zug. Für CHF 5,20 fahre ich um 18:15 Uhr nach Interlaken. Züge verkehren hier, wie an den meisten anderen Orten, bis 23 Uhr.