Ist eine Revolution unabwendbar?!

„[D]ie Kluft zwischen einer besitzlosen Arbeiterschaft und den über Produktionsmittel und -kapital verfügenden Fabrikanten (Kapitalisten)“ führt zu enormen gesellschaftlichen Verwerfungen. Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtverbands gibt ein Warnsignal. „Die Armut ist demnach auf einem Rekordhoch, das Land sozial und regional tief zerrissen.“ (Spiegel Online. 19.12.13) Ende des 18. Jahrhunderts sorgte die technische Weiterentwicklung gängiger Produktionsmethoden von Großbritannien ausgehend, für  Massenproduktion von Wirtschaftsgütern. Die Produktion verbilligte sich, Arbeitsschritte wurden immer weiter zergliedert und die Abhängigkeit des Arbeiters vom Industriellen nahm weiter zu.

„Die unkontrollierte Ausbeutung der Arbeitskraft (Kinderarbeit, fehlende Absicherung bei Unfällen, überlange Arbeitszeiten etc.) sowie die soziale Verelendung (Entwurzelung, Krankheit, Not) führten schließlich zu politisch erfolgreichen Gegenbewegungen (Gewerkschaften, Arbeiterparteien), die bei allen Wandlungen bis heute prägenden Einfluss auf das politische Leben haben.“ (bpb Politiklexikon)

Ziegler beschreibt zunächst drei Phasen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Auswirkungen, die durch Umwälzungen gewerblicher Produktionsbedingungen hervorgerufen worden sind. Spinnmaschine und mechanischer Webstuhl stehen am Anfang der so genannten industriellen Revolution. Die Erfindung der Dampfmaschine erleichterte die Massenanfertigung von bisher manuell hergestellten Gütern.

Ein Jahrhundert später verhalf die Elektrizität der mechanischen Produktion zu mehr Produktivität. Um 1870 teilt Ziegler das erste Fließband und die Schlachthöfe von Cincinnati in die zweite Epoche der industriellen Revolution ein. Vorbild von Ford´s revolutionärer Idee „waren die Schlachthöfe von Cincinnati und Chicago, wo Endlosketten die an Fleischerhaken hängenden Tierkörper vorantrieben und jeder Arbeiter nur einen speziellen Handgriff oder Schnitt ausführte.“ (Geicke, Andre. In: DER SPIEGEL)

Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts prägt die IT die dritte und derzeitige Epoche der industriellen Revolution. Computer und Roboter können programmierte (Teil-) Arbeitsschritte ausführen und menschliche Arbeitskraft outsourcen. Langsamere, fehleranfällige Arbeiter sind nicht mehr produktiv genug und zugleich Ressourcen-Verbraucher, die zum Abbau der Investitionskosten nicht mehr beitragen können.

Quelle: DFKI. In: c´t 26/ 2013. S.84
Quelle: DFKI. In: c´t 26/ 2013. S.84

Da die Technik und der gesellschaftliche Wandel nicht still steht, erwartet“ US-Starökonom Jeremy Rifkin .. sogar eine neue industrielle Revolution.“  (Fink. In: DIE ZEIT) Der britische Economist und zahlreiche Meinungsbildner springen auf diesen Zug auf und sagen der 3-D-Druck verändere die Welt. (s. Fink. In: DIE ZEIT. 04.10.12) Dabei ist die Möglichkeit des 3-D-Drucks nur eine Erscheinung der nächsten Umwälzung im industriellen Produktionsprozess.

„Oft rechnet sich ein herkömmlicher Gerätepark auch erst dann, wenn damit große Mengen von Schrauben, Blechen oder Rahmen produziert werden. Bei der M280 ist das anders: Die Maschine fertigt auch Einzelstücke.“ (Fink. In: DIE ZEIT. 04.10.12)

Ziegler nennt es Industrie 4.0, wenn Industrieanlagen mit Hilfe eines hohen Vernetzungsgrads und künstlicher Intelligenz „nicht nur die einzelnen Anlagenkomponenten miteinander kommunizieren können, sondern auch die zu bearbeitenden Werkstücke mit den Maschinen.“ (Ziegler. In: c´t 26/ 2013. S. 83) Neue Produktionsstandards sind im Wettbewerbskampf mit anderen (aufsteigenden) Industrienationen erforderlich. Dies soll durch billige Einzelanfertigungen oder günstige Produktion kleiner Margen möglich werden. Während Roboter jetzt schon untereinander vernetzt sind, soll Maschine-to-Maschine-Kommunikation (M2M) zukünftig über Firmen- und Landesgrenzen hinweg stattfinden. Das mit einem RFID-Chip versehene Werkstück empfängt an einer Schnittstelle die erforderlichen Daten zum weiteren Vorgehen und gibt diese während der laufenden Produktion an den fertigenden Roboter weiter. Dies ermöglicht individuelle Einzelanfertigungen kleiner Margen in einer Industrieanlage. Modulierte Systeme in der Automobil- und Möbelindustrie erlauben bereits heute Einzelanfertigungen. Grenzenlose Vernetzung soll diese Möglichkeiten bald auch für die Pharma-, Lebensmittel- und andere Industriezweige möglich machen.

Beispiel: Der Arzt verschreibt seinem Patienten eine Emulsion oder Pille mit bestimmter Dosierung und Wirkstoffkombination. Das Rezept landet mit dem Ein-Klick-Verfahren über eine sichere Leitung bei der autorisierten Produktionsanlage für Pharmaprodukte. Transport-Drohnen liefern anschließend die fertige Arznei zur nächstgelegenen Apotheke, wo sie am nächsten Tag zur Abholung bereit liegt.

„Bei einer fortschreitenden Automatisierung der industriellen Produktion durch Systeme, die sich auf Selbstkonfiguration und Selbstoptimierung verstehen, wird es nicht ausbleiben, dass Arbeitsplätze verloren gehen oder zumindest verlagert werden.“ (Ziegler, Peter-Michael. In: c´t 26/ 2013. S. 86)

Mit anderen Worten:

„Die Maschine, wovon die industrielle Revolution ausgeht, ersetzt den Arbeiter, der ein einzelnes Werkzeug handhabt, durch einen Mechanismus, der mit einer Masse derselben oder gleichartiger Werkzeuge auf einmal operiert und von einer einzigen Triebkraft, welche immer ihre Form, bewegt wird.“ (Marx, Karl. Das Kapital. Erstes Buch. 13. Kapitel. Maschinerie und Grosse Industrie.)

Die Revolution hat also längst begonnen und tritt in die nächste Phase – Industrie 4.0.

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