HSBC-files: Die Bank und die Verbrecher

Heute wollen die EU-Finanzminister über die griechischen Reformvorschläge in einer Telefonkonferenz entscheiden. Die von Deutschland und anderen Geldgebern geforderte Reformliste wurde in der Nacht eingereicht. Ein Vorschlag Griechenlands für die Verlängerung der Milliardenkredite ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Korruption. (vgl. Spiegel Online. 24.02.15) Doch wie soll so ein Kampf stattfinden, wer sind die Kombattanten und wo befindet sich das Schlachtfeld? Dies müssen vor allem die demokratisch gewählten Politiker, wie der griechische Finanzminister Varoufakis, entscheiden. Auf einem ganz anderen Schauplatz werden derzeit, fast unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit, die Gehilfen so mancher Steuerhinterzieher entlarvt.

Die so genannten Offshore-Leaks über die weltweit zweitgrößten Bank HSBC geben Aufschluss über die Geschäftspraktiken einer ehrenwerten Gesellschaft. Die internationale Journalistenvereinigung, bestehend unter anderem aus dem britischen Guardian, der französischen Le Monde, BBC Panorama und dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Washington enthüllen weitere Missetaten der Finanzelite.

Dabei handelt es sich um ein Geflecht aus Banken, Politik und organisierten Verbrechen. Ziele sind Steuerentlastung und Profitmaximierung der einzelnen Akteure.

Zu Beginn steht das Leck durch einen IT-Technikers der HSBC-Filiale in Genf.

Dieser hatte zunächst Daten über 30,000 Konten mit Einlagen von ungefähr 120 Milliarden Dollar in der Periode 2005-2007 an die Behörden weitergegeben. Der Computertechniker Hervé Falciani hatte diese Daten, Swiss Disk genannt, an französische Behörden ausgehändigt.

Monate nachdem Frankreich die Swiss Disk mit Informationen zu Vergehen der HSBC Bank vertraulich an die britische Steuerbehörde weitergeleitet hatte, wurde der HSBC Vorstandsvorsitzende Stephen Green vom konservativen Premierminister David Cameron Ende 2010 zum Minister for Trade and Investment benannt. (vgl. Guardian 09.02.15)

Der damals amtierende Chef dieser Steuerbehörde HMRC (Her Majestry Revenue and Costums), Dave Hartnett, hatte nach dem französischen Angebot zur Weitergabe der Daten an seine Behörde eine Konsultation im Londoner HSBC-Hauptquartier. Das Gästebuch der Bank weist seinen Besuch für den 11.Februar 2010 nach. Anfang Februar wurde die Swiss Disk überreicht. Worüber im HSBC-Hauptquartier genau gesprochen wurde, möchte Harnett dem Guardian nicht verraten. Später wird enthüllt, dass Hartnett´s Steuerbehörde HMRC versäumt habe, relevante Informationen zu den Vergehen der HSBC Bank unter Stephen Green an das britische Außenministerium weiterzugeben. Dabei ist seine Behörde vor der Ernennung Greens zum Minister dieser Zeit um eine Einschätzung zur Person Stephen Green gebeten worden. (vgl. Guardian 10.02.15)

«It did not inform the government that it was in possession of thousends of secret account files from the Swiss bank, which implicated HSBC in major tax evasion and other potential criminal offences.» (Guardian. 10.02.15)

Sechs Monate nach dem Ruhestand Harnetts bzw. zwei Jahre nach Übergabe der Swiss Disk an seine Behörde, arbeitet er als Berater für die HSBC-Bank. Er soll bei Anti-Geldwäsche-Maßnahmen beratend zur Seite stehen. In seiner ehemaligen Behörde HMRC liefen jedoch zu dieser Zeit schon Untersuchungen zu dieser Angelegenheit. (vgl. Guardian. 09.02.15)

Doch mit dem Jahr 2010 gingen im Vereinigten Königreich auch politische Veränderungen einher. Die konservative Koalition unter Premier David Cameron ergriff die Macht. Nur einige Wochen später wurde bekannt dass HSBC-Vorsitzender Stephen Green seinen Posten mit £1.25 Millionen Jahresgehalt aufgeben wolle und vom Premierminister Cameron dazu überredet worden sei, die Posten als Wirtschaftsminister (trade minister) bei den Konservativen anzunehmen. (vgl. Guardian. 09.02.15) Die Offshore-Leaks zeigen, dass die Tories um die Conservative Party von Cameron über £5 Millionen von schweizer HSBC Konto-Inhabern erhalten haben. (vgl. Guardian. 11.02.15)

«The Conservatives have raised over £5m from HSBC clients recorded with Swiss accounts, while Labour has also benefited from cash and gifts in kind worth over £500,000, as well as a loan for £2m…A number of political donors found to have Swiss accounts are also high profile members of Britain´s growing non-dom community – the tens of thousends of wealthy foreign residents attracted to the UK by a historical quirk which allows them to live in the country without paying inheritance tax on assets owned offshore, by claiming they will eventually retire abroad.» (Guardian. 11.02.15)

Der damalige business secretary Vince Cable lobte Green bei seiner Ernennung als zukünftigen Minister für sein gutes Krisenmanagement nach der Finanzkrise2008 und ethischen Verhaltenskodex:

«One of the few to emerge with credit from the recent financial crises, and somebody who has set out a powerful philosophy for ethical business.»(Guardian. 09.02.15 [1])

In seiner Buchveröffentlichung predigt Lord Green, seit 1988 Geistlicher der Church of England und späterer Minister, über die Notwendigkeit moralisch-ethischen Verhaltens in der Geschäftswelt. In seinem 2009 erschienen Buch „Good Value: Reflections on Money, Morality and an Uncertain World.“ legt Green Geschäftsführern nahe, nicht nur legal, sondern ethisch und selbst darüber hinaus zu handeln. (vgl. Guardian. 09.02.15[1])

Doch die Realität sieht anders aus.

Nach Bekanntgabe der Offshore-Leaks stellt sich die Frage nach Green´s Rolle und mangelnde Kontrolle über den Schweizer HSBC-Geschäftszweig. Seit 2005 war Green nämlich Vorsitzender der Aufsichtsgesellschaft HSBC Private Banking Holdings (Suisse) S.A. Die Genfer Geschäftsstelle der Bank hat Eliten und Wohlhabenden aus verschiedenen Gesellschaften aktiv zur Steuerflucht verholfen. (09.02.15[1])

Schon 2012 ist die HSBC, weltweit zweitgrößte Bank, in Zusammenhang mit dem Organisierten Verbrechen aufgefallen. Damals verhängten US-Behörden eine Strafe von $1.9 Milliarden, weil der Mexikanische Geschäftszweig der Bank das Geld von Drogenbanden und anderen zwielichtigen Gestalten angenommen und damit gearbeitet hat. (vgl. Guardian. 09.02.15[1])

Die neuesten Recherchen zeigen, dass die Bank nun in der Schweiz hohe Bargeldsummen angenommen und bei der Vertuschung dessen Herkunft geholfen habe. So wurden laut Guardian geheime Konten für bekannte Oligarchen, Despoten, Blutdiamanten-Händler und Waffenschieber eröffnet. Bestechungs-, Drogen-, und Dopinggelder wurden von der Bank ebenfalls gerne angenommen. Dies geschah trotz Verpflichtung zur Einholung von Hintergrundinformationen und auch öffentlicher Kenntnis zum betreffenden Personenkreis. (vgl. Guardian. 12.02.15) Ungeheuer hohe Transaktionssummen sind normalerweise ein klassisches Warnzeichen für Banker. Doch anstatt Fragen zu stellen wurden in der Genfer HSBC Private Bank, No 2, Rue Dr-Alfred-Vincent, große Pakete mit nicht rückverfolgbaren Notenbanken ausgehändigt. Allein 2005 kamen Tag für Tag zahlreiche Inhaber von Nummern-Konten aus dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland, Skandinavien, den USA, Italien, Spanien, Belgien und den Niederlanden in der Bankfiliale an. Sie kamen mit Pfund, Dollars, Kronen und Euros, Währungen mit wenig Nutzen innerhalb der Schweiz. Manche Bankkunden sagten sogar offen, dass sie Steuern umgehen möchten. (vgl. Guardian 09.02.15[2])

«Presented with this evidence by the Guardian, HSBC now admits that after it purchased the Geneva bank in 1999 “too many…high-risk accounts were maintained” and the “compliance culture and standard of due diligence” were low.» (Guardian. 12.02.15)

Der Guardian berichtet auch über das who is who dieser speziellen Bankkunden. (vgl. Guardian. 12.02.15) Vermögende wurden außerdem von der Bank kontaktiert und ihnen wurden Vorschläge unterbreitet, wie Steuergelder durch ein neu verabschiedetes EU-Abkommen mit der Schweiz umgangen werden könne. (vgl. Guardian. 08.02.15)

«HSBC´s Swiss bankers aggressively marketed a device that would allow its clients to avoid a new tax introduced under a a treaty Switzerland signed with the European Union, the HSBC files reveal.

The documents show for the first time that rather than acting as a passive party to the tax schemes of its clients, HSBC Suisse proactively contacted clients to market techniques that would have effectively sabotaged the tax treaty deal.» (Guardian. 10.02.15 [2])

Die European Savings Directive (EUSD) von 2003 hat den EU-Bürgern gestattet, weiterhin Milliarden-Gelder auf anonymen Schweizer Konten zu deponierten. Doch im Gegenzug haben sich die Schweizer Banken dazu verpflichtet, eine Steuer auf die Guthaben an die jeweiligen Herkunftsländer zu entrichten. (vgl. Guardian. 10.02.15 [2])

Nachdem die Bank ihren Kunden die Funktionsweise des EUSD genau erklärt hatte, akzeptierten diese schließlich die Errichtung eines neuen Offshore Unternehmens. Ziel war die Umgehung der Steuer durch die Bank. Laut dem ehemaligen Steuerprüfer Richard Brooks zeigen die HSBC-files, dass die Bank ihre Kunden aktiv dazu ermuntert habe, die Steuer zu umgehen. (vgl. Guardian. 10.02.15) [2]

«`OK you don´t have to play along with those, we´ve got another product for you that will allow you to carry on evading tax.´”» (Guardian. 10.02.15 [2])

Nachdem Stephen Green 2010 seinen Vorstandsposten bei der Bank abgegeben und in die Ministerriege gewechselt ist, übernimmt Stuart Gulliver den Bankenvorsitz im Januar 2011. (vgl. Guardian 09.02.15) Doch auch er hat £5 Millionen seines Vermögens auf dem Schweizer HSBC-Konto einer Schattenfirma namens Worcester Equities Inc. auf Panama gebunkert, wie der Guardian berichtet. Gulliver verteidigt sein angeblich legales Verhalten mit einer fadenscheiniger Begründung. (vgl. NYT. 23.02.15)  Ein zweites Konto von ihm wurde bereits vor 2007 geschlossen. Auch wenn er im Vereinigten Königreich arbeitet, Steuern zahlt er mit seinem so geannten non-dom status aber in Hong Kong. Dies ist sein offiziellen Wohnsitz.

«”Hong Kong continues to be .. home albeit that our client now works primarily in the UK. Al a matter of law, our client is domiciled in Hong Kong.”, sagt ein Repräsentant Gullivers.» (Guardian. 23.02.15)

Mit dem non-dom status (not domiciled) sind Erleichterungen bei der Erbschaftssteuer und im Ausland erzielten Einkommen verbunden. Zudem wurde Gulliver nicht von der HSBC-Haupt-Holding unter Vertrag genommen, als er zum chief executive 2011 berufen wurde. Der Guardian enthüllt dass er über die HSBC Asia Holdings mit Hauptquartier in Holland abgestellt worden ist, anstatt über die Muttergesellschaft im Vereinigten Königreich. Doch diese Praxis wird auch bei ca. 350 anderen Mitarbeitern angewendet. (vgl. Guardian 23.02.15)

Zur gleichen Zeit wird bekannt, dass von den Milliarden-Krediten von IWF, EU und EZB an Griechenland rund 90% für Zahlungen an Finanzinvestoren gegangen sind. Rund 10% haben die griechischen Bürger erreicht. (vgl. jubileedebt.org. 18.01.15)

 Weblinks: