Ein konspiratives Treffen

Der Veranstaltungsort im Keller eines Leipziger Etablissements hatte einen leicht konspirativen Charakter. Getroffen hatte sich eine kleine Gruppe erfahrener und altgedienter Journalisten, um über ihre langjährige Arbeit als Auslandskorrespondenten in Kriegs- und Konfliktgebieten zu berichten. Es ging um Einflussnahme auf ihre Berichterstattung für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten durch Politik, Militär und Geheimdienste. Eingeladen hatte das Europäische Institut für Journalismus- und Kommunikationsforschung (EIJC). Anlass dieses Treffens ist die Buchveröffentlichung vom wissenschaftlichen Leiter des EIJC und Autor des Buches  „Korrespondenten im Kalten Krieg. Propagandist, Diplomat oder Journalist?“, Dr. Lutz Mükke.

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Gastredner war der erfahrenen Krisengebiets-Korrespondent der ARD und Kritiker heutiger Berichterstattungspraxis, Christoph Maria Fröhder. Auslandsreporter Dietmar Schumann, ZDF, gehörte ebenfalls zu diesem kleinen Kreis. Schumann, früher Auslandskorrespondent für das DDR-Fernsehen, berichtet später für das ZDF und wurde 2003 Studioleiter in Tel Aviv. Ein Jahr später wird er wegen angeblicher Agententätigkeit für die Stasi zurückbeordert. Er geht davon aus dass die öffentliche Anschuldigung zu seinen Stasi-Kontakten in Zusammenhang mit der Israel-Berichterstattung damals stehe.

Die Journalisten haben unter der Moderation von Martin Hoffmann (ZDF/EIJK) Einblick in viele Jahre Krisenberichterstattung und Auslandskorrespondententätigkeit zugelassen.

Bei der Vietnam-, Afghanistan-, Irak- und Afrika-Berichterstattung musste Fröhder nach eigenen Angaben vielen Einflussversuchen widerstehen. Schuhmann, Moskau-, Kaukasus- und Afghanistan erprobt, musste seine Kontakte zum MfS als Büroleiter in Budapest eingestehen. Doch auch ARD-Mann Fröhder sagt „Agenten haben sich immer wieder als Informanten angeboten, ich habe sie nicht genutzt.“ „Der BND wollte im Irak sogar unsere Satellitentelefone benutzen“, was er zu verhindern wusste.

Da Mükke´s Veröffentlichung die Berichterstattung und Einflussversuche im Kalten Krieg beschreibt, kann somit die Berichterstattungspraxis zweier politischer Systeme veranschaulicht werden. Es stellte sich heraus dass im zentralistisch geführten Staat hauptsächlich systemtreue Journalisten ausgebildet worden sind.

„Alles wurde im Zentralkomitee der SED entschieden. Wir waren natürlich Partei-Journalisten. Es wurde vorgegeben, was gewünscht wird. Es gab lange Listen von Tabuthemen, über die wir nicht berichten sollten. Nicht über Probleme in der Sowjetunion, soziale Probleme, Afghanistan. Für die Auslandsjournalisten war die Leine länger als für diejenigen, die in der DDR gearbeitet haben. Es hing auch von der Persönlichkeit [des Journalisten] ab“, so Schumann.

Fröhder sagt hingegen das im Westen jeder Journalist werden konnte und kann, wenn er Abnehmer für seine Berichte findet. Zur Vietnam-Kriegsberichterstattung erinnert er sich:

„Glücklicherweise musste ich keinerlei Rücksichten nehmen, das hat aber auch zu massiven Zerwürfnissen geführt.“

So wurde er wegen seiner Berichterstattung über die GI´s beim WDR suspendiert. Daraufhin habe er sich jedoch beim Intendanten beschwert, der sich dann den Chefredakteur vorgenommen habe, um ihm „die Ohren lang zu ziehen“.

 „Das werden sie heute nicht mehr finden“, bemerkt er dazu. „Hierarchien hatten schon wenig Mut zu Zeiten des Kalten Krieges.“

So sei er drei bis viermal  vor verschiedenen Rundfunkräten erschienen, doch bei guter Vorbereitung war nicht mehr er derjenige, der sich rechtfertigen musste. „Durchsetzungsfähigkeit macht einiges möglich“, sagt auch Schumann.

Mükke fasst zusammen dass damals im Osten entschieden wurde, ob man politisch tragbar war. „Fakt ist das Korrespondenten sehr gut gescannt wurden… In der DDR war Auslandsjournalismus Teil der Außenpolitik“.

Aber auch die Beschränkungen im Westen haben laut Fröhder kontinuierlich zugenommen. So sei die Zensur der Amerikaner im 1. Golfkrieg mäßig gewesen. „Im 2. Golfkrieg wurden sie rattengiftig und im 3. Golfkrieg wurde es noch extremer.“

„Die Amerikaner haben am Aufnahmeort durch die Kamera schauen wollen.“

Im Laufe der Jahre, die er selbst erlebt habe, sei die Schraube angezogen worden – speziell unter G. W. Bush.

Er erinnert sich wie er in einer US-Kaserne im Irak „per Zufall in eine Black Site reingeraten“ sei. Beim Toilettengang habe er seltsame Geräusche wahrgenommen und sei diesen gefolgt. Er sah „20 Menschen mit Tüten über dem Kopf. Die darben in ihrer eigenen Scheiße.“ Mit einer List habe er später den Raum noch einmal mit Journalisten-Kollegen betreten können und heimlich Bilder gemacht. Die Beschwerde der amerikanischen Botschaft nach Berlin kam prompt.

„Wenn sie da nicht einen starken Chefredakteur oder Intendanten haben, wird es gefährlich.“ (Fröhder)

Die Berichterstattungspraxis bei „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ ist ihm heute zu unkritisch, Schuhmann stimmt ihm zu. (vgl. Spiegel Online. 07.02.15)

Auf die Frage im Publikum, wer denn heute Tabulisten mache, damit es in den Medien unisono zum Putin- und Griechenland-Bashing komme, antwortet der 72-jährige Fröhder: „Tabulisten haben wir nicht, aber immer mehr Mainstreamjournalismus mit immer weniger qualifiziertem Personal.“ Es gebe aber gut organisierte Beobachtungsorganisationen zu den Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Wichtige Entscheidungsträger in den deutschen Medien seien bei amerikanischen Think Tanks angestellt und transportierten deren Meinungen.

Das Gespräch lieferte nur einen Ausschnitt aus der Praxis politischer Auslandsberichterstattung. Mükke´s Veröffentlichung „Korrespondenten im Kalten Krieg. Propagandist, Diplomat oder Journalist?“ beinhaltet 17 Interviews u.a. ehemaliger Korrespondenten, darunter Schuhmann und Fröhder. Autor Mükke macht zum Schluss noch auf die „riesenhaften Überlappungen, Schnittmengen und Gemeinsamkeiten zwischen journalistischem und geheimdienstlichen Tätigkeiten aufmerksam. „Die einen der Befragten fanden das ganz normal“ zusammen zu arbeiten. Die Zusammenarbeit im Osten könne man ja auch in der Stasi-Unterlagenbehörde um die Ecke einsehen. Doch es sei schwer auf der westdeutschen Seite dazu zu recherchieren. Ein Pendant zum Stasi-Archiv gebe es nicht, es sei in Deutschland kein Forschungsthema und der Quellenschutz hat im aktuellen System bestand. In Deutschland sei dazu auf die Journalisten Koch vom Spiegel und Schmidt-Eenböhm verwiesen. Doch schon in den 70er Jahren hatte Carl Bernstein über die Arbeit von CIA und New York Times in „The CIA and the media“ berichtet. Die Aufgabe beider Seiten ist es eben, Informationen zu entlocken und zu analysieren.

„Bei Archivsuchen gibt es  hinlänglich Knüppel, die einem vor die Füße geworfen werden, bis zu, dass man aus dem Haus geworfen wird“, so der Autor der jüngsten Veröffentlichung. Viele Korrespondenten und Auslandsreporter in Ost und West hätten das Buch nicht unterstützt.