«Ebenso wie das Gebot ‹Du sollst nicht töten› eine Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute Nein sagen zu einer Wirtschaft der Ausschließung. Diese Wirtschaft tötet » (Papst Franziskus)
Diese Ansicht vertritt Papst Franziskus in einem 256 Seiten langen selbst verfassten Apostolischen Brief, dem Evangelii Gaudium.
Für viele trifft das unbestritten zu, z.B. für die Bewohner der Weltmeere, aber auch Arme und sogar kranke Menschen in Europa.
Wenn der Papst über unsere Wirtschaftsordnung spricht berät ihn eine italienische Kommunikationsspezialistin der Unternehmensberatung Ernst & Young. „Ihre Aufgabe wie die der anderen Laien ist es, dem Papst den Kapitalismus der eigenen Institution zu erklären.“ (DIE ZEIT, 05.12.13) Zuvor beriet die PR-Beraterin die gefallene Lehman Brothers Bank. Ganz so weltfremd kann der Papst also nicht sein.
Der päpstliche Missionar wurde auserwählt das angestaubte System der katholischen Kirche zu neuem Leben zu erwecken. Der Untergang scheint imminent. Zahlreiche Skandale und Auswucherungen erschüttern den Glauben an das Gute, mächtige Nutznießer klammern sich an die Symbole der Macht. DIE ZEIT hat ein Dossier über den frohen Botschafter verfasst und berichtet ebenso über hartnäckige Gegner innerhalb des Vatikans.
„Aus dem Grundgebot der Nächstenliebe leitet der Papst sozialrevolutionäre Maximen ab: Nein zur Vergötterung des Geldes! Nein zur Trägheit des Herzens! Vor allem aber sagt er der Hartherzigkeit den Kampf an, beginnend im eigenen Haus.“ (DIE ZEIT, 05.12.13. S.18)
Mit gutem Beispiel vorangehend und mit Hilfe weltlicher Experten, um „Licht ins Dunkel der Vatikanfinanzen zu bringen“ macht er sich nicht nur Freunde im eigenen Hause Gottes.
„Schon früh kursierte in Rom das Gerücht, Franziskus lebe gefährlich. Er riskiere viel, wenn er linke Basisgruppen mehr pflege als rechte Zirkel in Rom. Und es sei geradezu verwegen, bei der Vantikanbank aufzuräumen. Wird man ihn eines Tages vergiftet im Gästehaus Santa Marta finden? Oder tot im Tiber? (DIE ZEIT, 05.12.13. S. 19)
Der letzte Erneuerer von seinem Schlag war Papst Johannes Paul I. Er überlebte das Amt 33 Tage. Mangelnde Medienpräsenz machte ihn verwundbar.
Daher haben sich auch Julian Assange und Edward Snowden an die Öffentlichkeit gewandt, die `Verräter` unserer demokratischen Werte. Man erinnert sich an die Unkenrufe zur Wahl des ersten farbigen Präsidenten in den Vereinigten Staaten. Präsident Obama wurde damals das gleiche Schicksal wie Friedensnobelpreisträger Yitzhak Rabin oder der Taube John F. Kennedy nach dem friedlichen Ausgang der Kuba-Krise, prophezeit. Der Präsident hat offensichtlich daraus gelernt, Guantanamo gibt es noch immer, Drohnen ersetzen mittlerweile Soldaten im Nahen Osten und der Welt.
Ein neues Schlachtfeld ist die überbordende Verschuldung der Vereinigten und unserer Staaten. Trägt sie zum päpstlichen Ausspruch «Diese Wirtschaf tötet» bei?
Der Tod kommt aus Deutschland titelt DIE ZEIT in ihrem aktuellen Dossier. Hier geht es um deutsche Waffenexporte, ihre Verbreitung und tödliche Wirkung. Im Visier der Journalisten ist die Firma Heckler & Koch in Oberndorf. Bei Waffenverkäufen sieht man bei vielen Geschäftemachern weltweit Dollarzeichen in den Augen funkeln, kurz darauf rollt schon der Rubel. Gleich im Anschluss ist deutsche Wertarbeit gefragt. Und wenn man über den Haupteigentümer der Muttergesellschaft von Heckler & Koch berichtet, landet man schnell wieder beim Kapital. Der ehemalige Investmentbanker ist Finanzinvestor. “Heeschen geht es nicht um das Produkt, sondern ums Geld.“ (DIE ZEIT. 12.12.13. S. 16)
Doch wem geht es denn nicht ums Geld? Auch der Erfolg von Jeff Bezos, Chef und Gründer von Amazon, beruht auf der Einhaltung der „Regeln des zeitgemäßen Kapitalismus“.
„Im Grund sind alle Mitarbeiter Erfüllungsgehilfen. Nur die Sache zählt, nicht der Mensch. Deshalb treibt Bezos seine Untertanen unentwegt mit brutaler Härte an. «Wenn du nicht gut bist, frisst Jeff dich und spuckt dich aus. Und wenn du gut bist, dann springt er dir auf den Rücken und reitet dich zuschanden», sagt ein Amazon-Mitarbeiter…Wochenenden sind normale Arbeitstage, eine Balance zwischen Privatleben und Arbeit gibt es nicht. Es gibt die Arbeit, sonst nichts. Ist jemand anderer Meinung, muss er gehen.“ (Trotier, In: DIE ZEIT. 05.12.13. S. 59)
Diese Anpassungsleistung müssen dann wohl auch die Journalisten der Washington Post adaptieren, Bezos neue Angestellten. Kommerz und tiefgründiger Journalismus passen eben gut zusammen.
Es geht im Wettbewerb eben um das Überleben des Stärksten, the survivial of the fittest. Wer Erfolg haben will muss sich seiner gegebenen Umwelt bestmöglich anpassen. Das wusste auch Henri Nannen, erfolgreicher Blattmacher und Stern-Gründer. „Als Blattmacher hat er eindringliche Artikel zur NS-Zeit gedruckt, aber auch Fotostrecken von Riefenstahl, die sich nie von ihrer Propagandakunst distanziert.“ (Eckardt. In: DIE ZEIT. 12.12.13. S.21) Wie tödlich ein herrschendes System sein kann, berichtet er Ende der 70er Jahre selber.
„«Wir hätten es wissen müssen, wenn wir es nur hätten wissen wollen», bekennt er in seinem Brief an die «lieben stern-Leser». «Ich jedenfalls habe gewusst, daß im Namen Deutschlands wehrlose Menschen vernichtet wurden, wie man Ungeziefer vernichtet. Und ohne Scham habe ich die Uniform eines Offiziers der deutschen Luftwaffe getragen. Ja, ich wusste es, und ich war zu feige, mich dagegen aufzulehnen.»“ (Eckardt. In: DIE ZEIT. 12.12.13. S. 21)
An dieser Stelle soll jedoch kein ehrenwerter Mann in den Schmutz gezogen, eher die Konsequenzen des Wegguckens und Abduckens vor Augen geführt werden. Warum hat Bundeskanzler a.D. und ZEIT-Herausgeber Helmut Schmidt bis zu seinem 95 jährigen Geburtstag gewartet, um jetzt zu sagen „Bremst die Rüstungsexporte!“? Während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister (1969-72), Wirtschafts- und Finanzminister (1972 bzw. 1972-74) in Deutschland hätten diese Worte sicherlich mehr Sprengkraft gehabt.
Mit dem Unterschied, dass ihm heute wahrscheinlich niemand mehr (zu-)hören würde.
So geht es wohl den meisten Altgedienten, die erst den Mund aufmachen, wenn sie selbst nichts mehr zu verlieren haben und alle bereits am Abgrund stehen. Aber sie leben noch, wie unser Papst Franziskus.
Literatur hierzu:
- Brad Stone. 2013. Der Allesverkäufer – Jeff Bezos und das Imperium von Amazon.
- Jürgen Grässlin. 2013. Schwarzbuch Waffenhandel.
Weblinks:
- Bistum Köln. Der Geldsegen. (DIE ZEIT. 13.02.14)
- Folgen der Sparpolitik: Säuglingssterblichkeit in Griechenland steigt um 43 Prozent (Spiege Online. 22.02.14)