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„Die Welt ist das Haus des Starken“

Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie stammt von einem bedeutenden Philosophen der europäischen Aufklärung – Denis Diderot. Mit seinen revolutionären und gefährlichen Gedanken geriet er schnell in den Fokus französischer Sicherheitsdienste. Am 5. Oktober 1713 wurde er in der französischen Stadt Langres geboren, im August 1749 in Haft zunächst gebrochen, gestorben im Juli 1784. Zum 300. Geburtstag dieses Visionärs nutzt Mathias Greffrath DIE ZEIT (02.10.2013.; S.19) für ein Portrait.

Die französischen Verhältnisse sind zu Diderots Zeit erdrückend.

Der Vorgänger König Ludwigs, Ludwig XIV, hat durch den Spanischen Erbfolgekrieg und vorherige Kriege zwei Milliarden Livres Schulden hinterlassen, eine Schuldenlast, die „…erst im Jahr 1725 endgültig getilgt war.“ (s. Wikipedia [Ludwig XIV]. Stand: 07.10.13) „[F]ür die Zeit der Minderjährigkeit seines fünf Jahre alten Urenkels Ludwig XV…“ hatte er den Herzog von Orléans „…testamentarisch zum Präsidenten des Regentschaftsrates“ bestimmt. (s.Wikipedia[Phillipe_II_de_Bourbon] Stand: 08.10.13) Um den desaströsen Staatshaushalt zu retten hatte dieser 1715 John Law, Sohn eines schottischen Goldschmieds und Geldverleihers, die Lizenz zur Gründung einer privaten Notenbank erteilt. (s. Wikipedia [Mississippi-Spekulation] Stand: 08.10.13) John Law ist professioneller Glücksspieler und hatte auf der Flucht vor einem Todesurteil gegen ihn in Holland „das Finanzsystem der Bank von Amsterdam“ studiert. (Wikipedia [John Law] Stand: 08.10.13) Sie hatte damals schon Banknoten ausgegeben und dabei auf eine „jederzeit ausreichende Deckung durch Münzen geachtet“. (s. Wikipedia [John Law] Stand: 08.10.13)

1716 gründete Law die Banque Generale und vergab Kredite auf Papiergeldbasis. Die Bank war privat, ihr Kapital jedoch wurde zu drei Vierteln aus – weitgehend wertlosen – Staatsanleihen aufgebracht. Trotz der anfänglichen Unterkapitalisierung gewann sie langsam das Vertrauen der Öffentlichkeit und ihre Noten wurden als Zahlungsmittel akzeptiert, dies besonders infolge der persönlichen Unterstützung seitens des Regenten.“ (Wikipedia [Mississipi-Spekulation] Stand: 08.10.13)

Dank des Regenten Herzog von Orléans konnte Law schließlich die Handelsgesellschaft (Compagnie de la Louisiane ou d´Occident oder Mississipi-Kompanie) für die französischen Kolonien in Amerika gründen, sowie Privilegien und Monopole erwerben. Eine künstliche Angebotsverknappung ließ die Nachfrage nach den Aktien dieser Gesellschaft stark ansteigen, seine Banque Royale druckte immer mehr frisches Papiergeld. Neu geschaffene Aktien konnten somit von interessierten Anlegern erworben werden. (s. Wikipedia [Mississippi-Spekulation] Stand: 08.10.13) „In finanzieller Hinsicht war er damit der Herrscher Frankreichs und gleichzeitig – als Direktor der Mississipi-Kompanie – eines Drittels des nordamerikanischen Kontinents.“ (Wikipedia [John Law] Stand: 08.10.13) Die Kompanie war so stark, dass sie sogar 1919 die Rechte an der königlichen Münze erworben hat. Somit konnte Law „…durch dieses frische Kapital die hohe Staatsverschuldung auffangen…“(Wikipedia [John Law] Stand: 08.10.13)

Billets_banque_royale_1720Quelle: Wikipedia

Doch schon ein Jahr später ging das Vertrauen in wachsende Renditen verloren, die Spekulationsblase platzte und es kam zu einem Banken-Run. Frankreich kehrte zum Münzstandard zurück. (s. Wikipedia [Mississippi-Spekulation] Stand: 08.10.13)

Diderots Schriften beschränkten sich später nicht nur auf Religionskritik, gerne beschrieb er gesellschaftliche Fehlentwicklungen.

Zu den Menschen sagt er „Haben sie erst einmal drohende Blicke gegen die Majestät des Himmels gerichtet, dann werden sie alsbald auf die Herrschaftsverhältnisse auf der Erde schauen.“ (Diderot, nach Greffrath; In: DIE ZEIT) Philosoph Diderot tat dies mit Gewissheit. Die Aussicht auf unbefristete Haft ließ ihn in Gefangenschaft seine „geistige Vermessenheit“ eingestehen und zunächst von weiteren Schriften – unter seinem Namen – absehen.

Als Kind wollte er Priester werden, gerät jedoch in Paris in theologische Grabenkämpfe und wird zum Skeptiker. Er verkehrt in guten Kreisen, lässt nichts anbrennen und „glaubt .. an die Macht der Gedanken“. (Greffrath; In: DIE ZEIT) Aus solchen Kreisen stammen auch Verleger, die ihn schätzen und mit seiner Hilfe eine Enzyklopädie aller Wissenschaften, Künste und Handwerke herausgeben  möchten. Viel Geld wird investiert und plötzlich wird Diderot verhaftet.

„Arbeitsplätze sind in Gefahr, Setzer, Stecher, Drucker…Das Argument zieht immer, im November 1749 kommt Diderot frei.“ (Greffrath; In: DIE ZEIT)

Rousseau und Voltaire beteiligen sich ebenfalls an der Erstellung des besagten Lexikons. Die Encyclopédie gefällt den Religiösen jedoch nicht. Ein erstes Verbot wird gelockert, nach einem Attentatsversuch 1757 auf König Ludwig XV. und anschließend verschärfter Repression setzt der Papst das Lexikon auf den Index.

Der Einfluss der Kirche auf die französische Politik war unbestritten. Premierminister war seit der Salbung des Königs in Reims 1722 Kardinal Dubois, zuvor Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten. Begonnen hatte Kardinal Dubois Karriere als Berater des Herzogs von Villeroys. Dieser war Gouverneur und testamentarisch bestimmter Leumund des minderjährigen Ludwig XV. (s. Wikipedia.[Ludwig_XV.] Stand: 07.10.13) 1723 ist Ludwig XV. mit dem 13. Lebensjahr nach geltendem Königsrecht volljährig und bestätigt den Kardinal in seinem Amt als Premierminister. (s. Wikipedia.[Ludwig_XV.] Stand: 07.10.13)

Voltaire gibt nach dem Verbot der Enzyklopädie auf, Diderot lässt sich den Mund jedoch nicht verbieten.

Von der Macht des Transzendenten hält Diderot wenig, er ist eher naturwissenschaftlich veranlagt. Eine Einladung seines Financiers, Katharina II. nach St. Petersburg, nimmt er an und philosophiert mit ihr …

„…macht ihr Vorschläge zur Abschaffung der Despotie. Aber dann sagt sie: „Monsieur Diderot, mit all Ihren großen Prinzipien, die ich sehr gut verstehe, kann man schöne Bücher, aber nur schlechte praktische Arbeit machen.“ Diderots Konsequenz: Er wird zum Ghostwriter für einen der größten Bestseller des 18. Jahrhunderts, die Geschichte der beiden Indien des Abbé Raynal. [Hervorhebung im Original, M.M.] Das Buch ist eine radikale Kritik nicht nur des kolonialen Terrors, sondern auch der Fürstenmacht, Ausbeutung und Herrschaft.“ (Greffrath; In: DIE ZEIT)

Diderot kritisiert die Mächtigen und macht das Volk darauf aufmerksam dass Unterdrücker nur erfolgreich sein können, wenn die Menschen zu schwach sind, um sich zu wehren.

„Es gibt die unmenschliche Gewalt, die unterdrückt, und die schläfrige und schwache Gewalt, die unterdrücken lässt.“ (Diderot, nach Greffrath; In: DIE ZEIT)

Mit Halle abrechnen!

Halle braucht dringend mehr Geld, wer nicht?! 500 Millionen Euro Schulden durch Kredite aus den vergangenen 20 Jahren und der Schuldenberg wächst und wächst und wächst. So, wie die Wirtschaft es eigentlich tut bzw. tun sollte. Sind die Dispozinsen etwa zu hoch? Grenzenloses Wachstum, der Zinseszins-Effekt eben. Den können wir erstmal nicht beseitigen, wir müssen mit Halle rechnen. „…Mittel aus dem Länderfinanzausgleich, dem Solidarpakt und der Europäischen Union [gehen] in den nächsten sechs Jahren um 1,5 Milliarden Euro zurück.“

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Jetzt muss also gekürzt werden, wir müssen den Gürtel enger schnallen! Dabei kann jeder Bürger behilflich sein, der Stadtrat hat einen Bürgerhaushalt beschlossen und muss sich nicht allein die Finger schmutzig machen. Das Volk darf mitbestimmen wo gekürzt wird. Auf der Beteiligungsplattform „Rechne mit Halle!“ sind wir seit dem 01.Oktober eingeladen, Kürzungsvorschläge und Anregungen für den Haushalt 2014 einzubringen. „Alle Anregungen  werden von der Verwaltung geprüft und kommentiert; alle umsetzbaren Ideen im Finanzausschuss des Stadtrates vorgestellt und beraten.“ Schließlich entscheidet der Stadtrat über die bzw. den Vorschlag.

Mein Vorschlag: Gründung einer Bad Bank und Auslagerung fauler Kredite. Mehr Geld drucken. Lieb zu den Bankern sein, damit kann man einiges erreichen. Nicht zu viel kürzen, sonst wird die Enttäuschung zu groß.

Apologie

Dank seines Schülers Platon ist uns die Verteidigungsrede des Sokrates, der 399 v.Chr. wegen Gottlosigkeit und Verführung der Jugend zum Tode verurteilt worden ist, erhalten geblieben. Schließlich muß er dafür bezahlen dass er auf dem Markt in Athen regelmäßig gesprochen und die Bürger und Politiker dazu angestiftet hat, ihre Handlungen zu hinterfragen. Doch auf die Gesetze und Institutionen Athens hat er großen Wert gelegt, sie stets respektiert und unterstützt. „[M]it dem Heer Athens [hat Sokrates] in den Kriegen mit den Persern und den Spartanern gekämpft.“ (Kaufhold, 2012. S.32) Als gewissenhafter und loyaler Vertreter der Attischen Demokratie und „[M]it seiner Forderung nach kritischer Wahrheitssuche und Orientierung an der Gerechtigkeit“ hat er sich jedoch nicht nur Freunde gemacht. (Ekkehard Martens: Sokrates. Eine Einführung. 2. Auflage, Stuttgart 2004, S. 109. In: Wikipedia)

Als Einziger blieb Sokrates im Prozess um die Verurteilung der Verantwortlichen einer fehlgeschlagenen Bergung von Schiffbrüchigen in der Seeschlacht im Peloponnesischen Krieg zwischen Athen und Sparta (431-404 v.Chr.) standhaft. Als in dem Verfahren Volkes Stimme umschlug und geltendes Recht nicht mehr eingehalten werden sollte, beugten sich alle Prozessbeteiligten bis auf Sokrates und sprachen das Todesurteil. Auch  nach der Niederlage Athens im Peleponnesischen Krieg und der darauf kurzzeitig folgenden Oligarchie der Dreißig stand er mit Wort und Tat für die Gerechtigkeit ein. Er verweigerte den Befehl zur Verhaftung eines unschuldigen Gegners und ging daraufhin todesmutig nach Hause. Sein Todesurteil nahm er jedoch später entgegen. Wie, entnehmen wir seiner Apologie.

Aber was ist aus dem großen Athen, dem Vorläufer unserer heutigen Demokratie, geworden?

„Die Volksversammlung wurde in den Jahr um Jahr andauernden und bedrückenden Kriegsverwicklungen anfällig für extravagante Pläne, für übereilte Entschlüsse, übertriebene Härten gegenüber widerständigen Bündnern und für demagogisch geschürte Großmannssucht.“ (Wikipedia Attische Demokratie)

So steht auch der griechische Philosoph Sokrates später nahezu unbeeindruckt von dem drohenden Todesurteil vor Gericht. Bekannt für seine Untersuchungen, Nachfragen und schonungslose Offenheit rechtfertigt er sich später in seiner Apologie vor Gericht.

 „Auf den Vorwurf, er verderbe die Jugend, reagierte er mit einer gründlichen Bloßstellung des Anklägers Meletos, in die auch die Geschworenen und schließlich alle Bürger Athens von ihm verwickelt wurden, als er den Meletos mit der Frage in die Enge trieb, wer denn nun seiner Vorstellung nach für die Besserung der Jugend sorge, und dann sein Fazit zog: „Du aber, Meletos, beweist hinlänglich, dass du dir noch niemals Gedanken um die Jugend gemacht hast, und sichtbar stellst du deine Gleichgültigkeit zur Schau, dass du dich um nichts von den Dingen bekümmert hast, derentwegen du mich vor das Gericht bringst.“(Platon, Apologie, Stuttgart 1982, S. 29–30.; In Wikipedia)

Gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt

Der Stellenabbau bei der Bundesagentur für Arbeit soll um zwei Jahre verschoben werden, wie bereits berichtet wurde. Heißt das etwa, wir können unseren lieb gewonnen Arbeitsvermittler behalten?
Die Arbeitsintensität habe sich bis an die Grenzen der Belastbarkeit verdichtet, wie es heißt.
Jetzt wird berichtet dass der TV-Hersteller Loewe Insolvenz angemeldet hat und ab diesem Monat 140 Stellen frei werden.
Und wer vermittelt die 15 000 frei werden Stellen, die Siemens im Rahmen seines Sparprogramms nun streicht? 5000 Stellen sind in Deutschland betroffen, doch

“”Ein Abbau in einem Bereich bedeutet nicht zwangsläufig Jobverlust”, sagte der Sprecher.”

Was sind da schon 1250 Stellen beim Baukonzern Bilfinger, die der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch wegrationalisieren will. Mit solchen Ansichten hätte er wohl damals keine Wahl gewonnen. RWE möchte gleich voRWEg gehen und 3000 Mitarbeiter loswerden, wie kürzlich verkündet wurde. Das es ihnen Air-France gleichtun will, interessiert wohl mehr unsere Nachbarn. Uns interessiert vielleicht mehr die Situation der Weltbild Verlagsgruppe mit ihren 6800 Mitarbeitern, die vor der Pleite steht. Die kirchlichen Gesellschafter halten den Vertrieb von erotischer und esoterischer Lektüre anscheinend für unmoralischer, als für den Fortbestand des Unternehmens einzustehen.

Eigentlich müssen wir uns doch über solche Meldungen freuen, bedeuten sie doch steigende Aktienkurse. Der neue Reichtumsbericht zeigt uns ja schließlich dass die privaten Vermögen rasant wachsen und…

“…das sich vor allem jene über einen kräftigen Zuwachs freuen konnten, die ihr Geld in Aktien angelegt haben. Die Börsenkurse legten 2012 wieder deutlich zu…”.

Ein Glück auch für die US-Milliardäre, die nun so reich sind wie nie zuvor. Auch die reichen Deutschen sehen maßgebliche Probleme eher in einem für sie ungerechten Steuersystem, wie eine neue Forsa-Umfrage zeigt. Arbeitslosigkeit und Inflation scheint ihnen kein drängendes Problem.

Warum auch, bei einer Jugendarbeitslosigkeitsquote in Italien über 40 Prozent und  der weltweit höchsten Arbeitslosenquote in Spanien und Griechenland vor einem Jahr.

Am besten einfach weiter so, auch wenn Ex-US-Finanzminister Paulson, der die Fiananzkrise 2008 im Amt miterlebt hat, vor neuen Gefahren für das globale Bankensystem aufgrund mangelnder Reformen warnt.

Arbeitslose Arbeitsvermittler

Sollten Arbeitsvermittler der Bundesagentur für Arbeit mehr Verständnis für Ihre Klienten entwickeln oder zählen Sie bald selber zu diesem Klientel?
Der für 2014 und 2015 geplante Abbau von rund 3000 Stellen soll in diesem Verwaltungapparat nun erstmal um zwei Jahre verschoben werden, wie der Spiegel berichtet. Laut Personlrat der BA arbeiten die Mitarbeiter dort bereits am Limit und die Arbeitsintensität habe sich bis an die Grenze der psychischen und physischen Leistungsgrenze verdichtet. “Grund dafür sei auch das überbordende Controlling-System, das teilweise mehr Zeit in Anspruch nehme als die eigentliche Arbeitsvermittlung.” Auch der Bundesrechnungshof wirft der BA bei den internen Zielvorgaben Schönfärberei vor, wie im o.g. Artikel zu lesen ist.
Das nicht alle “Arbeitsvermittler” die  Methoden und Anweisungen ihrer jeweiligen Dienststelle gut heißen, zeigt der Fall Inge Hannemann. Wie die Thüringer Allgemeine und der Nordkurier berichten, wurde die ehemalige JobCenter-Mitarbeiterin freigestellt, weil sie das «System Hartz IV» als menschenunwürdig kritisiert hatte. Nicht umsonst gibt es so viele, die gegen Hartz IV sind.
Ob das nur “Die Abgehängten” sind, von der DIE ZEIT in der aktuellen Ausgabe (S.25 f.) berichtet, ist fragwürdig. “Zu den Abghängten gehören Jugendliche, die ohne Abschluss von der Schule gehen, die das Arbeitsamt von Maßnahme zu Maßnahme schiebt. Es sind junge Männer, die sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen, mit Schwarzarbeit oder krimellen Geschäften…Eine halbe Million Heranwachsender haben die Arbeitsagenturen in allerlei Schulungen gesteckt, in Ein-Euro-Jobs und in Warteschleifen zwischen Schule und Lehre. Sie gelten nicht als arbeitslos, obwohl sie keine reguläre Arbeit haben.”
So erklärt sich vielleicht auch die Aussage: “Nur 2 Prozent aller Akademiker sind arbeitslos, nur 5 Prozent aller Menschen mit abgeschlossener Lehre – aber 20 Prozent der Ungelernten.”
Welche Rechenkünste man beherrschen muss, um zu solchen Ergebnissen zu kommen, erschließt sich mir leider nicht. Wo doch in der jüngsten Engpassanalyse der BA  zu sehen ist, dass im August 2013 jeder Dritte bis Vierte bei “fachlich ausgerichten Tätigkeiten” bzw. (hoch-)komplexen (Spezialisten-)Tätigkeiten arbeitslos ist. Bei Helfer- und Anlerntätigkeiten sind es dann 2226 Arbeitslose auf 100 Arbeitsstellen. (s. Report Engpassanalyse August 2013, S. 32)
Wie beruhigend es auch ist, dass von den Arbeitnehmern jeder vierte im Niedriglohnsektor beschäftigt ist.

“Fast acht Millionen Menschen in Deutschland arbeiten für Niedriglöhne. Etwa zwölf Millionen leben an oder unter der Armutsgrenze. 25 Prozent der Beschäftigten in Deutschland haben sogenannte prekäre Jobs.” (Augstein, in Spiegel Online)

Als neuer Arbeitgeber würde sich sicher gern die Callcenter-Branche anbieten, die 2011 mit 36 Millionen Euro vom Staat subventioniert wurde, weil der Lohn ihrer Beschäftigten nicht zum Leben reicht. Im Umgang mit schwierigen Kunden sind die Arbeitsvermittler doch geübt und eine Verbindung scheint ja schon zu bestehen.

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“Revolution der Künstler”

Anlässig des heute erschienen ZEIT-Artikels über “Kartellabsprachen, Dumping-Gagen, Ausbeutung – und nur wer sich fügt, hat Erfolg?” sollte der Bewegung der österreichischen Mezzosopranistin Elisabeth Kulman eine Plattform geboten und ihr der Rücken gestärkt werden. Denn “sie wisse, wie schnell man die ‘Hacke im Kreuz’ habe.”

Den Anstoß ihrer Mission brachte die Facebook-Seite Die traurigsten & unverschämtesten Künstler-Gagen & Auditionerlebnisse von Musicalproduzent und Lehrer Johannes Schatz aus Hagen.

Kulman traut sich und solidarisiert sich namentlich “mit dem ganzen Gewicht ihrer Identität und ihres Renommees” mit der Seite und macht in der Öffentlichkeit auf die prekären Arbeitsbedingungen und “kannibalistische Zustände” unserer Zeit aufmerksam. “Erfolg hat der Willige, der Fügsame, derjenige, der funktioniert.”

Jetzt berichtet auch die ZEIT auf Seite 71 f.:

“Geschichten, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Über Vorsingen, die in letzter Sekunde abgesagt werden – per SMS und selbstverständlich nach erfolgter langer, kostspieliger Anreise; über Dumping-Gagen von 1000 Euro monatlich an großen Häusern für die Kernpartien eines Fachs; über Engagements, die für zwei Proben und ein Konzert sagenhafte 75 Euro bringen; über ungeheizte Probebühnen, unmoralische Angebote, nicht eingehaltene Pausenzeiten und Altersarmut. Von den gesundheitlichen Risiken vor allem des Sängerstandes, von der zwischenmenschlichen Ausbeutung, die eine Ansammlung neurotischer Persönlichkeiten wie das Theater nun einmal mit sich bringt, von skrupellosen Agenten und Kartellabsprachen unter Veranstaltern ganz zu schweigen. Und immer gibt es jemanden, besonders in der freien Szene, der es für noch weniger Geld und zu noch miserableren Bedingungen macht…” (s. DIE ZEIT, 26.09.13. S.71f.)

So, und jetzt muss ich zum Dreh einer ARD-Fernsehproduktion. Über die Konditionen will ich mich lieber nicht äußern, schließlich bin ich froh, dort überhaupt dabei sein zu können…

Link-Tipp:

Musiker, die eine Geldspritze benötigen, finden vielleicht einen Investor auf der Plattform Royalty Exchange, wie die New York Times berichtet.

Frequenzpolitik: Wer darf hier funken? (DIE ZEIT 26.09.13)