Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) will mit allen Mitteln die Inflation anheizen. (vgl. SZ. 21.11.14) Die Umlegung der Schulden auf die Allgemeinheit muss allen Anschein nach vorangetrieben werden. Im September ist über 800 Milliarden Euro für neue Hilfsprogramme durch die EZB berichtet worden. (vgl. Spiegel Online. 07.09.14) Finanzschwache Banken sollen gestärkt und zu neuer Kreditvergabe an die Wirtschaft animiert werden. Angekündigte und bereits ausgeführte Maßnahmen, wie zum Beispiel Zinssenkungen auf ein Rekordtief sowie angekündigte Negativzinsen, scheinen nicht auszureichen, um mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen.
Wolfgang Münchau schreibt in seiner Kolumne bei Spiegel Online dass die Anleihekäufe der Zentralbank nicht zur (gewünschten) Inflation führen müssen, da durch diese Maßnahme zwar die existierende Geldbasis wachse, die vorhandene Geldmenge jedoch nicht. Hauptbestandteil der Geldbasis seien die Rücklagen, die die Banken bei der EZB bilden müssen. Mit dem Geld, das von Kundeneinlagen abzüglich der Rücklagen übrig bleibt, kann die Bank arbeiten. Verleiht sie es mit Zinsen weiter oder führt es anderweitig in den Wirtschaftskreislauf, beeinflusst sie damit die existierende Geldmenge. (vgl. Spiegel Online. 17.11.14)
Und was bedeutet es, wenn der Ex-Goldman Sachs Mann Draghi seiner Aufgabe gerecht werden will und die Inflation ankurbeln möchte?
„Inflation
[lat.] I. bezeichnet eine wirtschaftliche Situation, in der ein Missverhältnis zwischen der volkswirtschaftlich vorhandenen Geldmenge (Überangebot) und dem Angebot an Waren und Dienstleistungen herrscht. Dies führt zur Steigerung des Preisniveaus und zur Senkung der Kaufkraft des Geldes. Zu unterscheiden sind
1. Nachfrage-I., die aus einer übersteigerten Nachfrage der privaten und öffentlichen Haushalte resultiert;
2. Angebots-I., die aus kostenbedingten Preiserhöhungen (Arbeits-, Materialkosten, Steuern, Nebenkosten) oder Preiserhöhungen resultiert, die den Gewinn erhöhen sollen;
3. importierte I., die ausländische I.-Entwicklungen ins Inland überträgt.“ (bpb.de Stand: 21.11.14)
Bleibt die Inflation aus ist die vorhandene Geldmenge im Wirtschaftskreislauf zu gering. Demnach können keine Investitionen getätigt werden, Produkte werden nicht abgenommen. Die Wirtschaft wird mittelfristig nicht wachsen können und der bald günstigeren und besseren Konkurrenz unterliegen. Schulden und Schuldzinsen können nicht getilgt werden.
Dabei berichtet DIE ZEIT im November über die aktuelle Preissteigerung in Deutschland.
„Kinokarten: 2,4 Prozent. Kinderjacken: 3,5 Prozent. Hackfleisch: 0,3 Prozent. Vollkornbrot: 0,9 Prozent. Das sind Beispiele für aktuelle Preissteigerungen in Deutschland. Im Durchschnitt aller angebotenen Güter und Dienstleistungen ergibt sich ein Anstieg von 0,8 Prozent.“ (Uchatius. In: DIE ZEIT. 13.11.14. S.13)
Wegen der Zinspolitik bzw. niedriger Zinsen auf dem Bankkonto (Deutsche Bank: 0,05 Prozent; Targobank: 0,1 Prozent; Commerzbank; 0,05 Prozent; HypoVereinsbank: 0,01 Prozent) ergibt sich faktisch bereits eine Geldentwertung. Diese möchte Mario Drahgi weiter anheizen, da die angepeilte (nötige) 2 Prozent Inflationsrate nicht erreicht wird. Kinokarten, Hackfleisch, Brot, Milch und Eier sollen also teuer werden. Doch „insgesamt haben [die Bundesbürger] .. 3,84 Billionen Euro bei Banken und Versicherungen deponiert. Mit diesem Geld ließen sich mehr als zehn Jahre lang alle Ausgaben des Bundes bezahlen.“ (Uchatius. In: DIE ZEIT. 13.11.14. S.13)
Die Zahl der Milliardäre ist heute auf einem Rekordhoch. Die Zahl der Superreichen wachse schneller als die Weltwirtschaft.
„Weltweit gibt es im laufenden Jahr 2325 Milliardäre, heißt es in einer Erhebung der Schweizer Bank UBS und des auf vermögende Privatkunden spezialisierten Datenanbieters Wealth X. Das seien 155 oder sieben Prozent mehr als im vergangenen Jahr.“ (Spiegel Online. 17.09.14)
„In Deutschland gibt es mehr als 19.000 Multimillionäre – so viele wie nirgendwo sonst in Europa.“ (Spiegel Online. 19.11.14)
Warum sollen die Arbeiter und Dienstleister mit ihren Gehältern die Wirtschaft ankurbeln, indem sie mehr für Essen, Trinken und Benzin bezahlen müssen, während andere für 26 Millionen Euro einen blauen Diamanten oder für 62 Millionen Euro einen rosafarbenen Diamanten ersteigern?
Der Vorsitzende des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, Thomas Fischer, gibt seine Stellungnahme im Fall des jüngst verurteilten Middelhoff zu den Mächtigen in der Gesellschaft:
„Die Herren der Chefs
Herr Middelhoff mag der Concierge sein am Eingang zur Schatzhöhle. Aber der Goldene Drache ist er nicht, also kein Gutseigentümer.
Die Herren der Chefs, die ‹‹Treugeber››, die Großfürsten im Reich der Ressourcen, sind – während der Rest empört ist über die großen und kleinen Middelhoffs – fein raus: Sie fliegen, wohin sie wollen. Sie kreisen mit ihren eigenen Privatjets rund um ihren eigenen Garten, tagein, tagaus. Sie fressen tonnenweise Kaviar und werfen die Reste aus dem Fenster. Sie verbrennen 10 Millionen Dollar im Kamin. Sie stopfen den schönsten Huren die Blusen voll Gold und ihren ‹‹Verwaltern›› das Maul mit Boni, die mindestens zur Hälfte der Steuerzahler bezahlt. Denn ihnen gehören die Welten, und die Middelhoffs allemal.
Man sollte denken: Wer über Gutsverwalter spricht, sollte über Gutseigentümer nicht schweigen. Denn ohne Herren keine ‹‹Verwalter››. Es gibt sie ja noch, bei uns und anderswo. Sogar in großer Zahl: Oligarchen und Milliardärinnen, Ölmagnaten und Latifundienherren, Kaufhauserbinnen und Reeder.
Manchen gehören ganze Straßenzüge oder Regenwälder oder die Gasproduktion für Generationen. Wer hat die längste Jacht der Welt? Welcher Sohn welches Königs fliegt mit dem teuersten Flugzeug? Das sind, erstaunlicherweise, nur müßige Fragen, für illustrierte Zeitschriften.
Eine andere Frage ist vielleicht noch beunruhigender: Was wäre, wenn die kleinen und großen Middelhoffs die wahren Herren der Welt wären, weil nur die wundersamen Konstruktionen des Aktien- und Konzernrechts den Inhaber von ein paar läppischen Arcandor-Aktien als Herrn des Verwalters Middelhoff erscheinen lassen? Der Großteil der Aktien gehört ja anderen Aktiengesellschaften, an deren Spitze wiederum nur ein Herr Middelhoff steht, und so immer weiter, bis alle am Ende nur die Verwalter ihrer selbst sind – und dem Bürger, dem keine Aktie gehört und kein Kaufhaus und kein Tanker, schwindelt vor dem unermesslichen Reichtum, der an ihm vorbeifließt, strudelt und in schwarzen Löchern versinkt oder am Himmel explodiert in Freudenfeuern der Divisenhändler. Was ist uns, fragen die Theoretiker der praktischen Vernunft, unter solchen Bedingungen noch Schuld? Und was nützt uns Moral?“ (Fischer, Thomas. In: DIE ZEIT. 20.11.14. S.25)
Wo kommt das Geld eigentlich her und wo fließt es hin? Wer hält die Wirtschaft am Laufen und wer profitiert davon?
Hoffen wir mal das Mario Draghi nicht die Angebots-Inflation meint, die er in die Höhe treiben will. Doch wie kommt sonst das ganze Geld wieder in den Wirtschaftskreislauf zurück?
Soll der einfache Bürger bezahlen, indem sie für die gleichen Güter tiefer in die Tasche greifen muss? Auch wenn die Notenbanken mit ihren Aufkaufprogrammen nur die vorhandene Geldbasis erhöhen, zahlen am Ende nicht die Verursacher der Krise. Sicher, in jüngster Zeit ist es reihenweise zu Ermittlungen und Urteilen über Strafzahlungen der Banken in Milliardenhöhe gekommen. Doch wer kann beurteilen ob diese Strafen eine abschreckende Wirkung haben oder nur wie eine Beruhigungstablette wirken. Wenn ein Gauner 2000 € erbeutet und anschließend 1000 € Strafe zahlen muss, schreckt ihn das für zukünftige Betrügereien ab oder animiert es so weiterzumachen?
„Bei der Fondsgesellschaft Pimco wird offenbar auch Misserfolg belohnt. Denn die Allianz-Tochter hat ihrem Ex-Starinvestor Bill Gross laut einem Medienbericht 2013 trotz bescheidener Anlageerfolge einen sehr hohen Bonus gezahlt. Gross habe rund 290 Millionen Dollar (230 Millionen Euro) erhalten, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf ein internes Dokument… Pikant an dem Bonus: Das von Gross gemanagte Pimco-Flaggschiff Total Return Fund hatte im vergangenen Jahr schlechter abgeschnitten als viele Wettbewerber.“ (Spiegel Online. 14.11.14)
Vielleicht müssen die Zentralbanken so massiv eingreifen, weil entsprechende Straf- und Rückzahlungen dieses Wirtschaftssystem so sehr gefährden oder gar unmöglich sind. Ich weiß es nicht. Wenn es die einzige Alternative zum Kollaps ist müssen wir wohl so weiter machen, andere Möglichkeiten der Umschuldung finden, oder etwas anderes überlegen.
Ist so viel Kritik an bestehenden Verhältnissen nicht auch gefährlich und wirkt am Ende nur wie Brandbeschleuniger, bevor die Feuerwehr anrücken kann? Kann man immer nur kritisieren ohne eine praktikable Alternative parat zu haben?
Kritik findet in der Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung Ausdruck und diese ist der Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaftsordnung. Kritik kann zudem immer konstruktiv und destruktiv ausgelegt werden, entscheidend ist, was daraus entsteht. Geschichte und Gegenwart sind reich an Alternativen, doch selbst das beste System scheitert zuerst am Menschen.
Sollen die Schwachen und diejenigen, die sich nicht wehren können, bezahlen für die Vergehen anderer? Oder würden sie nicht genauso handeln, wenn sie könnten?
Gewiss ist nur eines, sie sind in der Überzahl.
Weblinks:
- Rekordgewinne: Dax-Konzerne verdienen so viel Geld wie nie (Spiegel Online. 20.11.14)
- Neubau der EZB: Pfefferspray, Farbbeutel und Verletzte bei Demonstration (Spiegel Online. 22.11.14)
- Verbraucherpreise: Inflation sinkt auf niedrigsten Stand seit fast fünf Jahren (Spiegel Online. 27.11.14)
- Wirtschaftsflaute: Notenbanker streiten über Kauf von Staatsanleihen (Spiegel Online. 04.12.14)