Verraten und verkauft – wie die Menschenrechte durch europäische Flüchtlingspolitik mit Füßen getreten werden.
Am 06. Februar wurden nach einem Beschuss von Flüchtlingen durch Grenzschützer der spanischen Enklave Ceuta in Nordafrika 15 Tote aus dem Wasser geborgen.
Der spanische Innenminister Fernández Díaz musste daraufhin den Beschuss afrikanischer Armutsflüchtlinge mit Gummigeschossen vor dem spanischen Kongress rechtfertigen. Die Flüchtlingswelle auf die spanische Enklave bei Marokko und aggressives Verhalten der Flüchtlinge habe die Sicherheitskräfte zum Gebrauch der Schusswaffe gezwungen, zitiert ihn El Pais. Die Polizei habe ihre Waffen zur Abschreckung genutzt und niemand sei durch den Schusswaffengebrauch getötet worden. (EL PAIS. 13.02.14)
Die 30 Millionen Euro Investition in den Grenzzaun um die zwei von Marokko umgebenen spanischen Enklaven Melilla und Ceuta reichen anscheinend nicht aus.
„Niemand weiß genau warum nach fast zehn Jahren relativer Ruhe der Druck auf Ceuta und Melilla zugenommen hat, doch die spanische Wirtschaftskrise könnte etwas damit zu tun haben. Spanische Beamte geben zu dass Spanien seine Hilfen an Marokko, welches Afrikaner aus der Sub-Sahara in den letzten Jahren von der spanischen Enklave ferngehalten hat, kürzlich mindern musste.“ (Daley. In: NYT. 27.02.14)
Europa ist bankrott – vor allem moralisch betrachtet.
Auf den Vorwurf des Ministerpräsidenten Maltas zur desaströsen Lage auf seiner Flüchtlingsinsel, antwortet die ZEIT:
„Malta fühle sich i[m] Stich gelassen, sagte Ministerpräsident Joseph Muscat in Interviews. „Bis heute hören wir von der EU nur leere Worte.“ Was er nicht sagt, ist, dass Malta seit 2008 mehr als sieben Millionen Euro von der EU für eine menschenwürdigere Behandlung der Flüchtlinge erhalten hat.“ (Friederichs. In: DIE ZEIT. 02.01.14)
In den vergangenen 10 Jahren haben Malta 419 Boote mit 18.365 Flüchtlingen erreicht. (vgl. DIE ZEIT. 02.01.14) Doch vielleicht wird das Geld zum Schutz vor den Wilden einfach nur an der falschen Stelle investiert. Nachdem im Oktober 2013 über 100 Bootsflüchtlinge vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ertrunken sind, forderte die zuständige EU-Kommissarin Cecila Malström mehr Mittel für die europäische Grenzschutzagentur Frontex. Eine flächendeckende Überwachung des Mittelmeers solle zukünftige Katastrophen verhindern und mehr Leben retten, so Malmstrom. Der Einsatz von vier Schiffen und zwei Flugzeugen zur Überwachung der Flüchtlingsrouten im Mittelmeer schienen im Jahr 2013 nicht auszureichen.
«Analysts warned, however, that allocating more resources to Frontex, which works primarily to coordinate member states´ border operations, would not automatically make the agency more effective. “Frontex would be very enthusiastic for this kind of wider role, but there is a big question over how this would really work, given that Frontex does not have any direct operational powers,” said Joanna Parkin, a migration specialist at the Center for European Policy Studies, in Brussels.» (Kanter and Pianigiani. In: NYT. 08.10.13)
Ein Republikaner aus dem Einwanderland USA hatte schon die Implantierung von Mikrochips bei Flüchtlingen vorgeschlagen.
Das moralische Dilemma ist groß – Berichte über Misshandlungen und unterlassene Hilfeleistung.
Während starke Industrieländer die eigenen Opfer der Wirtschafskrise mit Sozialleistungen ruhig stellen können, riskieren andere ihr Leben für ein Ende von Armut und Gewalt. Eine Nation die bei negativer Handelsbilanz in Krisenzeiten mehr Arbeitslose durchfüttern muss, will keine zusätzlichen Mitesser von außen. Da nützt es auch nichts dass die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul meint dass die westliche Handelspolitik mit ihren Subventionen und der Weltbank die Armut in Afrika erhöhe. (s. DIE ZEIT. 04.03.04) EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos zeigte sich zwar im Januar auf der Grünen Woche in Berlin bereit, auf Subventionen für Agrarexporte nach Afrika zu verzichten, knüpfte dies aber an die Öffnung der afrikanischen Märkte. (Maurin. In: taz. 17.01.14) Hier beißt sich die Katze anscheinend in den Schwanz.
Um unseren Wohlstand zu verteidigen muss Europa die steigende Migrationsflut bewältigen und macht dies mit Dämmen und Barrikaden. Da die Mauern anscheinend nicht hoch genug sind wird muss zusätzlich auf Abschreckung gesetzt werden. Hier handelt es sich um eine Investition auf Kosten der Menschenrechte. Diese werden woanders gerne zur Legitimation von Militäreinsätzen herangezogen.
„Bringt die Globalisierung Vorteile auch für die Schwächeren, oder schöpfen nur die Großen ab? An diesem Punkt entscheidet sich die Glaubwürdigkeit der Industrieländer.“ (Wieczorek-Zeul. In: DIE ZEIT. 04.03.04)
Alle EU-Grenzstaaten wollen mehr Geld für die Verteidigung der Außengrenzen vor menschlichem Elend.
„In einer seiner letzten Amtshandlungen erklärt Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), im seien Forderungen nach größerer Solidarität Deutschlands oder gar einer Änderung der europäischen Asylpolitik «unbegreiflich».“ (Emke. In: ZEIT Magazin. 27.02.14. S.18)
Im März 2011 dümpelt ein manövrierunfähiges Flüchtlingsboot mit libyschen Flüchtlingen zwischen Italien und Libyen im Mittelmeer. Am Ende mussten über 60 Männer, Frauen und Kinder auf offener See verdursten, trotz Notruf bei der italienischen Küstenwache, einem NATO-Flugzeugträger im dortigen Gewässer und Zeugenaussagen zu kreuzenden Armeehubschraubern.
«Das Generalkommando der italienischen Küstenwache bestätigte SPIEGEL ONLINE, dass ein Notruf eingegangen sei und dass man diesen an die Kollegen in Malta weitergeleitet habe. „Das Flüchtlingsboot befand sich außerhalb der italienischen Such- und Rettungszone“, sagte der Kommandant Cosimo Nicastro.» (Langer u. Stock. In: SPIEGEL ONLINE. 09.05.11)
Überlebende auf der
Flucht zu Lande oder See berichten über Misshandlungen. Die Situation in Afghanistan und Syrien veranlasst ebenso viele Menschen zur Flucht in die Wagenburg namens Europa. Von der Türkei versuchen einige über das Meer Griechenland zu erreichen, um dort verstoßen zu werden. „Amnesty wirft Griechen massive Misshandlung von Flüchtlingen vor“. (SPIEGEL ONLINE. 09.07.13) Solche Vorwürfe beschränken sich jedoch nicht auf einzelne EU-Länder. Man stelle sich vor ein von Krieg und Armut Verfolgter ist jahrelang unter lebensbedrohlichen Umständen auf der Flucht, wird schließlich beim Versuch die Grenze zur EU zu überwinden gewaltsam daran gehindert und sollte er es doch geschafft haben, heimlich deportiert.
„Accusations abound that Spanish forces are actually returning the immigrants to Morocco even when they do arrive successfully on Spanish soil and are entitled to apply for asylum.” (Daley. In: NYT. 27.02.14)
Daher versuchen die Flüchtlinge nach erfolgreicher Flucht auf sich aufmerksam zu machen, bevor sie ungesehen wieder schnell verschwinden. Flüchtlinge die es bis zu den Mauern der spanischen Enklave Melilla geschafft haben, leiden heute an gebrochenen Gliedmassen – wegen Zusammenstößen mit der marokkanische Polizei, wie sie sagen. „They asked for visits from the Red Cross“, dass uns die Situation der Flüchtlinge auch im eigenen Land veranschaulichen möchte. Wie willkommen sie in Deutschland sind, illustriert uns die ZEIT.
„Im Übrigen ist Entwicklungspolitik immer die kostengünstigste Sicherheitspolitik.“ (Wieczorek-Zeul. In: DIE ZEIT. 04.03.04)
Weblinks:
- Ceuta in Marokko: 13 Tote nach Massenansturm auf Spanien-Enklave (Spiegel Online. 07.02.14)
- Massenansturm in Ceuta: Grenzpolizei hat Migranten mit Gummigeschossen abgewehrt(Spiegel Online. 13.02.14)
- Spanische Exklaven in Afrika: Tausende Flüchtlinge scheitern mit Ansturm auf Ceuta (Spiegel Online. 04.03.14)
- Flüchtlinge: Libyen – Lampedusa – Europa (Spiegel Online 30.03.14)
- Frontex und das Grenzregime der EU (bpb-Kurzdossier)
- Flüchtlinge an EU-Außengrenze: Amnesty prangert Griechenland an (Spiegel Online. 29.04.14)
- Marokko: 400 Flüchtlinge stürmen spanische Exklave Melilla (Spiegel ONline. 28.05.14)
- Mittelmeer: Spanien greift rund tausend Flüchtlinge auf (Spiegel Online. 13.08.14)
- Mittelmeer: Italiens Marine rettet mehr als 1900 Bootsflüchtlinge (Spiegel Online. 18.08.14)
- Flüchtlinge: Europas tödliche Grenzen (Spiegel Online. 10.09.14)
- Sinking of Mediterranean migrant boat mass murder, says UN rights chief (Guardian. 19.09.14)
- European Homecare: “Schlagkräftiges Team” für die Flüchtlingsbetreuung (Spiegel Online. 29.09.14)
- Misshandlungsverdacht in Asylunterkunft: System der Schande (Spiegel Online. 29.09.14)
- Spanische Exklave: Hunderte Flüchtlinge stürmen Grenzzaun (Spiegel Online. 15.10.14)
- Nine injured as migrants rush Spanish border fence in north Africa (Guardian. 22.10.14)
- Kommentar zur EU-Flüchtlingspolitik: Die Boote sind voll (SPIEGEL ONLINE, 04.03.2015)