Monthly Archives: January 2015
Griechischer Finanzminister Varoufakis will Licht ins Dunkel bringen
Der Wahlsieg der linken Syriza-Partei in Griechenland zeige laut New York Times eine große Spaltung in Europa. Über Argumente zu Austeritätspolitik hinaus zeige sich ein tieferer Konflikt demokratischer Willensbekundung. Es stehen sich die Ansichten der griechischen Wähler, verzweifelt über die Konsequenzen der Sparpolitik auf ihre Lebensbedingungen, und die monetären Interessen der Deutschen, Finnen und Niederländer gegenüber. In der westlichen Presse ist man sich darüber einig dass am Ende der Steuerzahler für die Schulden der Griechen aufkommen müsse.
Doch warum gleichzeitig die Krisenverursacher und Profiteure des Finanzsystems weitere Millionen-Gewinne und Bonis ausschütten können, wird nicht erklärt. Am Ende muss immer der Schwächste für Dominanz und Fehler der Starken zahlen. Die Syrizaj-Partei will nun 8000 neue Ärzte und Krankenpfleger einstellen und die EZB monatlich Staatsanleihen für 60 Milliarden aufkaufen. Das eine scheint zu gehen, das andere nicht.
Der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat gestern auf seinem Blog ein Radiointerview mit dem Moderator Phillip Adams und ihm veröffentlicht. Auch er spricht bei dem Wahlsieg seiner Partei von einem demokratischen Prozess der Willensbildung. Auf die Finanzkrise angesprochen sagt er…
Moderator: „Do you seek full responsibility for the financial and economic crises in the EU?”
Varoufakis: “No, … and yes. We became part of a monetary union that was not designed to sustain a mayor financial crises…Greece was responsible for being the first domino. It is not responsible for the domino effect.”
Varoufakis veranschaulicht die humanitären Situation in der Krise und geht davon aus dass die Menschen seine Partei gewählt haben, damit sie sich mit der Oligarchie anlege.
Varoufakis : „The people voted on us in order to clash with the oligarchy.“
Zuvor sagt er dass Establishment könne gestürzt werden durch… Stille macht sich breit und der Moderator bemerkt schließlich nur noch „we lost him.“ Doch schnell kriegen sie ihn wieder in die Leitung und er kann seine Botschaft weiter verbreiten. Er habe schon dem Chef der EU-Gruppe und einigen Finanzministern Europas gesagt dass es einen breiten Handlungsrahmen zur Reduzierung der humanitären, ökonomischen und finanziellen Kosten gebe, außer für bestimmte Interessengruppen, die von einer Verschärfung der Krise profitiere. Gemeint seien damit Finanziers, die darauf spekulieren und darin investiert haben.
Varoufakis: „My message the head of the EU-group and finance ministers of… There is plenty of scope for minimalizing the human costs and economic costs and financial costs except from certain groups that benefit from deepening the crises. You can imagine certain financiers that have invested in it.”
In den Gesprächen bei ausgeschalteten Mikrofonen würden die EU-Kollegen auch ganz anders mit ihm über die Dinge reden, die es anzupacken gelte. Sie hätten ganz frische Ideen. Doch sobald die Mikrofone angeschaltet seine folgten sie alle, genau wie damals in der Sowjetunion, der vorgegebenen Partei-Linie.
Griechenland sei allein nicht fähig Europa zu verändern. Aber sie können ein bisschen Licht in die große Finsternis des Schweigens bringen.
Varoufakis: “We are going to say things as they are. Hopefully it will open a small door into the light.”
Weblinks:
Ein Telefon macht sich selbstständig
Warum macht ein Telefon Dinge, die sein Benutzer gar nicht möchte? Agiert das Telefon etwa selbstständig? Was Android Geräte alles nach Hause funken.
Google…gründete mit Dutzenden von Partnern die Open Handset Alliance, mit der es ein Smartphone-Betriebssystem namens Android entwickelte. Den Grundstock dafür, das von Andy Rubin gegründete Unternehmen Android, hatte Google sich praktischerweise bereits im Jahr 2005 einverleibt…Derzeit werden etwa 80 Prozent aller neuen Smartphones mit Android ausgeliefert, und auch bei den Tablet-Verkäufen lag Android im Jahr 2013 erstmals vor iOS…Android ist mittlerweile ein integraler Bestandteil von Googles Ökosystem geworden…” (Bager. In: c´t 2014)
Wer wissen möchte was der Netzgigant Google so alles über ihn weiß und gespeichert hat, der kann sich dort mit seinem Google-Konto anmelden und staunen. Wer mehr als die Suchanfragen der letzten 28 Tage sehen möchte, sollte im Dashbord “Webprotokollenträge entfernen” klicken.
Fahrrad gestohlen
Morgens um 4:50 Uhr in Halle am Hauptbahnhof. Man kommt aus der Nachtschicht und stellt fest, dass Fahrrad wurde in der Nacht gestohlen. Helm und geknacktes Schloß wurden hinterlassen. Gutes Timing.
Sicher musste es mich auch einmal treffen, schließlich kenne ich fast niemanden in Halle, dem noch kein Fahrrad in der Stadt gestohlen worden ist. Die MZ schreibt, jährlich kommen 1400 Fahrräder in Halle weg. Die Aufklärung liege bei 5 %. (Zöller. In: MZ. 18.04.13). Doch was ist das schon, gemessen an der Anzahl der Spielhallen in unseren schönen Stadt.
“Beinah jeden zweiten Tag wird ein Fahrrad-Diebstahl gemeldet. ” (Bendick, In: MZ. 18.12.13)
Auch wenn es jetzt im Schutze der Dunkelheit zur Tat gekommen ist, wundere ich mich dass sich die oder der Täter anscheinend unbeeindruckt auf dem Bahnhofsgelände zu schaffen machen konnte(n). Und dies im heutigen Terror-Zeitalter und Totalüberwachung.
Das Fahrradportal des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur schreibt:
“Die absolute Hochburg beim Fahrraddiebstahl – und somit unsicherste Stadt für Fahrrad-Eigentümer – ist zum ersten Mal Magdeburg, die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Auf 100.000 Einwohner (100tsd. EW.) entfielen 1.685 gestohlene Fahrräder (gesamt 3.829), unglaubliche 185 Prozent über dem Studiendurchschnitt. Das bedeutet: In der Stadt an der Elbe werden statistisch betrachtet jeden Tag mehr als zehn Räder gestohlen. Die Diebstähle nahmen gegenüber 2012 um 16 Prozent (+526) zu.”
Jetzt bleibt nur noch die (Online-)Strafanzeige.
Weblinks:
Der Kampf um Libyens Zentralbank
Der Machtkampf in Libyen weitet sich auf die zukünftige Kontrolle der Libyschen Zentralbank aus. Diese Woche haben Aufständische der kriegführenden Parteien eine der zwei Zentralbank-Filialen unter ihre Kontrolle gebracht. Seit dem Sturz von Muammar Gaddafi ist das Land in verschiedene Fraktionen gespalten. Die U.N. haben den Angriff auf die Bank im östlich gelegenen Benghasi scharf verurteilt und in Genf eine Verhandlungsrunde der beteiligten Konfliktparteien initiiert. Ergebnisse sind zurzeit nicht bekannt, Reuters berichtet von anfänglichen Schwierigkeiten bei den Verhandlungsversuchen.
Die Zentralbank fungiert laut New York Times als Depot für 100 Milliarden Dollar in Auslandseinlagen. Ein Großteil davon lagert in westlichen Finanzzentren. Auch die Erlöse aus dem Ölgeschäft werden über die Bank abgewickelt. Durch anhaltende Kämpfe resultieren hier Einschnitte von ursprünglich 1.7 Millionen Barrel auf unter 250.000 Barrel täglicher Ölfördermenge. Die NYT berichtet dass die Zentralbank stets um Neutralität bemüht sei und ebenso als Finanzier des Außen- und Verteidigungsministeriums fungiere.
Doch die Etablierung von zwei rivalisierenden Regierungen, eine im westlich gelegenen Tripoli und die andere in den östlichen Städten Tobruk und Bayda, strapazieren die Neutralitätsbemühungen der Zentralbank, über die u.a. die Beamtengehälter ausgezahlt werden.
Die Tobruk-Bayda- Regierung ist laut NYT unter de facto Kontrolle des desertierten Gaddafi-Generals Khalifa Hifter, der letztes Jahr ein Militärputsch angekündigt habe, um das Land von Extremisten zu befreien. Er spricht sich für die Absetzung des derzeitigen Vorsitzenden der Zentralbank, den Ex-Banker Sadik el-Kaber, aus. Doch dieser sieht von einem Rücktritt vom Hauptquartier in Tripolis ab. Die (ehemalige) Hauptstadt wird laut Bericht von moderaten Islamisten, Extremisten und Militanten der Hafenstadt Misurata kontrolliert. El-Kaber habe bereits Meetings mit US- und britischen Diplomaten, als auch Beamten aus dem Weißen Haus, Außen- und Finanzministerium in Washington abgehalten. Diese scheinen an seiner Position festzuhalten.
Die Gegenseite um Kommandeur Hifter habe den Tresor noch nicht geöffnet und bis zum Tag der Veröffentlichung am 22. Januar nur technische Einrichtungsgegenstände entfernt. Ein Verhandlungsergebnis scheint noch auszustehen.
Weblinks:
- Libyen: Nationalistische Armee meldet Einnahme von Hafen (Spiegel Online. 06.02.15)
Alles wieder auf Anfang
Als wäre nichts geschehen werden an der Wall Street wieder die höchsten Gehälter gezahlt, DIE ZEIT berichtet von der „Rückkehr der Boni-Banker“.
„Goldman etwa verteilte nach dem Krisenjahr 2009 Aktien im Wert von 3,6 Milliarden Dollar an seine Mitarbeiter, die diese allerdings erst frühestens im Januar 2015 verkaufen dürfen. Goldmans Aktienkurs ist seither um 40 Prozent gestiegen – damit sind die Mitarbeiter-Aktien heute mehr als fünf Milliarden Dollar wert. Auch die Belegschaft der Bank of America kann den Jahresanfang mit einem kollektiven Aktiengewinn von 1,8 Milliarden Dollar feiern.“ (Buchter. In: DIE ZEIT. 17.12.14. S.25)
Wollte man es nicht nach der großen Finanzkrise, die unser Weltfinanzsystem ins Trudeln gebracht und schließlich mit Steuergeldern wieder aufgepäppelt wurde, in Zukunft anders machen? Riskante Finanzprodukte und Hochrisikopapiere versprechen jedoch einen hohen Gewinn. Wer es schafft seinen Müll zu verkaufen und selbst der Müllsammler zahlreiche Abnehmer für die toxischen Stoffe findet, machen alle einen guten Schnitt. Auf der größten Müllhalde saß einmal die Bank Lehman Brothers. Doch deren Papiere hatten wiederum viele andere Finanzmarktteilnehmer bebunkert. Eine Kettenreaktion musste verhindert werden.
Der große Aufschrei nach dem Crash war groß, die Politik musste den Karren aus dem Dreck ziehen und die Suppe schließlich auslöffeln, die sie sich selbst eingebrockt hatte. Irgendwie hat man dann mehr oder weniger eingesehen, dass der Finanzmarkt reguliert werden müsse. Der Markt regelt sich eben nicht von selbst, wie es die Neoliberalen lauthals behauptet haben. Die Beschneidung der (Handlungs-) Freiheit ist wohl nicht mit demokratischen Werten vereinbar. Die Konservativen und Wirtschaftsvertreter meinen, der Staat halte sich am besten aus allem heraus.
Nach den Kongresswahlen in den USA haben die Republikaner wieder die Oberhand gewonnen und dort, wo fast jeder Volksvertreter mehrfacher Millionär ist, werden anfängliche Regulierungsversuche der Finanzindustrie Schritt für Schritt aufgehoben.
Mit dem Dodd-Frank-Act sollte den systemrelevanten Banken ein bisschen die Freiheit genommen werden, alles tun zu können um Gewinne unter hohen Risiken zu privatisieren und große Verluste anschließend zu solidarisieren. Doch diese Rechnung ist ohne die Lobbyisten der Branche gemacht worden.
„As of Nov.16, Wall Street banks and other financial interests had spent $1.2 billion on campaign contributions and lobbying combined, a total that was on track to beat spending in 2010, when Dodd-Frank was being considered in Congress…” (Weisman & Lipton. In: NYT. 13.01.15)
Schließlich sind die Volksvertreter in die Knie gegangen und haben sich der Finanzlobby gebeugt. Schon Anfang Dezember hat die New York Times über die Gesetzesvorlagen zur Verabschiedung des US-Haushalts berichtet. So hat es die Finanzmarkt-Lobby geschafft, eine Lockerung der Restriktionen beim Dodd-Frank-Act an die Verabschiedung des US-Haushalts zu koppeln.
„One bill would amend the so-called Volcker Rule, a centerpiece of Dodd-Frank. Another bill that lawmakers plan to include in the government funding plan was essentially written by lobbyists for Citigroup.” (Protess. In: NYT. 09.12.14)
Damit die US-Regierung bis September 2015 handlungsfähig bleibt, muss sie doch wieder für die Ausfallrisiken verschiedener Banken-Derivate haften. Schon ein Kompromiss im Dodd-Frank-Gesetzesentwurf ist faul gewesen.
„As The New York Times reported last year, lawmakers adopted nearly every word of Citigroup´s plan in drafting a bill. The bank´s recommendations are reflected in more than 70 of the 85 lines of that bill.” (Protess. In: NYT. 09.12.14)
Die Politiker wurden von den Interessenvertretern überzeugt. Die so genannte swaps push-out rule, bei der hochriskante Papiere nicht mehr durch die Regierung abgesichert werden sollen, berge zu große Gefahren für kleinere Banken. Tatsächlich werden, so die New York Times unter Berufung auf das Office of the Comptroller of Currency, 95 % dieser Derivate von fünf Banken gehandelt: Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs, JPMorgan Chase und Morgan Stanley. (vgl. Weisman & Lipton. In: NYT. 13.01.15)
Das neue Gesetz wurde letzte Woche zusammen mit dem neuen US-Haushalt verabschiedet, ebenso die Re-Autorisierung eines Gesetzes zur Übernahme entstandener Kosten durch Terroranschläge. (federal terrorism insurance) Timing ist eben alles in der Politik.
US-Gesetzgeber haben nun im Repräsentantenhaus mit 250 zu 175 Stimmen über ein weiteres Maßnahmenpaket abgestimmt, dass neue Restriktionen für Bundes-Regulatoren auferlegt. Doch die Mitglieder des Repräsentantenhauses wollen die Dodd-Frank-Regeln mildern und der Finanzindustrie damit entgegen kommen.
Der neue Gesetzesentwurf ist am Mittwoch mit Unterstützung von 28 Demokraten mit 271 zu 154 Stimmen verabschiedet worden. Der Entwurf, zwei Wochen nach der Konstituierung des neuen US-Kongress verabschiedet, ist eine Priorität der US-Republikaner und weicht den Dodd-Frank-Act weiter auf. Als nächstes muss der US-Senat darüber votieren. Doch auch hier gibt es seit November 2014 eine republikanische Mehrheit. (vgl. Marcy Gordon. In: AP. 14.01.15)
„The strategy on Dodd-Frank is death by a thousand cuts.“ (Marcus Stanley, policy director of Americans for Financial Reform.” In: NYT. 14.01.15)
704 registrierte Finanzmarkt-Lobbyisten haben sich die Politiker gekauft und versuchen ihre Interessen durchzusetzen. Das US House of Financial Services Commitee, wo die Gesetzgebung typischerweise beginnt, ist Empfänger von Wall Street-Spenden. (vgl. Weisman & Lipton. In: NYT. 13.01.15)
„During the last Congress, Representative Jeb Hensarling of Texas, the Republican chairman of the commitee, received donations on 13 separate occasions from political action commitees run by Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs and JP Morgan Chase.” (Weisman & Lipton. In: NYT. 13.01.15)
Ein Bank-Lobbyist freut sich schon und sagt dass mit der neuen republikanischen Mehrheit im US-Kongress die Zahl der Dodd-Frank Befürworter bereits gesunken ist.
Weblinks:
- Bank of America und Citigroup: 2014 nahm ein schlechtes Ende (SPIEGEL ONLINE 16.01.2015)
- Jahresbilanz: Deutsche Bank überrascht mit hohem Jahresgewinn (Spiegel Online. 29.01.15)
Solidarität gewinnt!
Das Bild ist bei der Trauerfeier zu Gedenken der Opfer der extremistischen Terroranschläge in Paris entstanden. Ehrwürdig ist die öffentliche Anteilnahme Merkels als Zeichen der Anteilnahme.
Um dieses Bild nicht aus dem Kontext zu reißen, soll dies hinzugefügt werden. Doch darf dieses Bild in Anbetracht der Tragik dieser Ereignisse aus dem Kontext gerissen und für politische Zwecke missbraucht werden?
Genau das tut der mehr oder weniger seriöse Journalismus permanent. Die Bild- Zeitung druckt dieses Bild heute auf ihrer Titelseite, um Aufmerksamkeit zu generieren und Auflage zu machen. Daher haben Politiker in der Öffentlichkeit Angst vor solchen Situationen, vor allem in Wahlkampfzeiten.
Doch beschweren dürfen sie sich nicht über anschließend verzerrte Bilder zu ihrer Person. Denn die Politik nutzt die Medien selbst für ihre Zwecke. Sie lässt Informationen durch die Presse sickern, um Kriege zu rechtfertigen, politische Gegner kaltzustellen, von brisanten Themen abzulenken, die Stimmungslage der Bevölkerung auszuloten und auf eigene Erfolge aufmerksam zu machen. Es wird auch registriert dass es in einigen Regionen dieser Welt besonders vor Wahlterminen zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit zum Teil tausenden von Toten kommt. Wird dabei an die Opfer gedacht? Hier geht man auch schnell wieder zum Tagesgeschäft über.
Meistens ist das größte Opfer die Wahrheit, neben den zahllosen Einzelschicksalen und Menschenleben.
Weiter so…und auf zur nächsten Demo. Dann haben wir die Aufmerksamkeit auf die wahren Probleme gelenkt und das Gefühl, etwas getan zu haben.
Wir sind die Guten
So heißt der Titel des im Juli 2014 erschienenen Buches von Mathias Bröckers und Paul Schreyer. Das Buch zeigt dem Leser die „Ansichten eines Putinverstehers“ und bringt u.a. mit Zuhilfenahme Krügers Dissertation „Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten…“ Licht ins Dunkel westlicher Berichterstattung über den aktuellen Ukraine-Konflikt. Bröckers gehört laut Selbstbeschreibung zur Gründergeneration der taz und arbeitete als Autor für DIE ZEIT. Das Buch will den eigentlichen Interessenskonflikt zwischen West- und Ost aus der östlichen Perspektive veranschaulichen. Dabei gehen die Autoren über die gängige und z.T. notwendige Simplifizierung unserer Mainstream-Nachrichtenmedien hinaus.
„Im Bürgerkrieg in der Ukraine geht es nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern um die Macht im ››Großen Spiel‹‹: um Ressourcen und Kontrolle des Planeten. Russland und Iran, die zusammen über die Hälfte aller Öl- und Gasreserven der Welt verfügen, stehen der einzigen Supermacht nicht wegen ihrer religiös-fundamentalistischen oder autokratischen Ausrichtung im Wege, sondern weil sie die Profite aus ihren Bodenschätzen selbst einstreichen und transnationale Konzerne weitgehend außen vor halten.“ (Bröckers, Schreyer. 2014. S.177)
Hervorgegangen aus einem Disput über eine zukünftige Handelsunion zwischen West und Ost hat sich die Lage in der Ukraine längst zu einem militärischen Konflikt entwickelt. Die Autoren berufen sich bei ihrer Schilderung u.a. auf die US- Militärdoktrin einer „Full Spectrum Dominance“. Demnach müsse ein starkes, einiges und unabhängiges Europa als Gegengewicht der bisweilen einzigen Weltmacht, USA, verhindern werden. Die Lektüre bietet interessante Erkenntnisse über das Beziehungsgeflecht zwischen der transatlantischen Denkfabrik Atlantic Council in Washington, „die im Wesentlichen die Aktivitäten der Nato sowie die Entwicklung des Freihandels unterstützt“ und einem einflussreichen Eliten- Netzwerk aus Wirtschaft, Medien und Politik. (Bröckers, Schreyer. 2014. S.107) Ebenfalls aufschlussreich ist das Kapitel über „Öl, Gas und Sicherheit“, dass im Hinblick auf das weit verzweigte Pipelinesystem im „eurasischen ‹‹Heartland››“ unseren Kontinent mit dem Lebenssaft der westlichen Industrie und Wohlstandsgrundlage versorgt. Eine unabhängige europäische Energieversorgung könne demnach nicht im Interesse der Amerikaner sein, denen es im Schwarzen Meer auch selbst um Förderrechte und eventuell einen neuen Absatzmarkt ihres Schiefergases geht. Eine gleichzeitige Schwächung Russlands als Energielieferanten fördere zudem US- amerikanische Dominanz. „Die Gazprom-Pipeline Blue Stream läuft bereits bis in die Türkei, ihre geplante Verlängerung nach Syrien und ans Mittelmeer spielt unter anderem auch für den dortigen Konflikt eine Rolle.“ (Bröckers, Schreyer. 2014. S.63) Das komplexe Gefüge zwischen den kontrahierenden Staaten und Wirtschaftsinteressen kann hier natürlich nicht vollkommen aufgedeckt werden. Jedoch werden (mögliche) Zusammenhänge geschildert, auf deren Beschreibung unsere Leitmedien aus den verschiedensten Gründen verzichten.
Die zum Teil leicht tendenziöse Wortwahl zeigt dem Leser gleich zu Beginn aus welcher politischen Richtung der Wind weht, dies wird jedoch schon aus dem Titel des Buches und der zugehörigen Webseite putinversteher.info ersichtlich. Insgesamt lohnt sie die Lektüre in jedem Falle, so bietet das Buch einen weiteren Mosaikstein zum Gesamtbild unserer politischen Landkarte. Denn nicht nur der Orient ist im Umbruch.
Weblinks:
- Ende von South Stream: BASF steigt bei Pipeline-Projekt aus (Spiegel Online. 29.12.14)
- South Stream. How Putin Forged a Pipeline Deal That Derailed (NYT. 30.12.14)
- Gasfelder vor Krim-Küste: Ukraine droht Russland mit Klage (Spiegel Online. 09.01.15)