Auf der Titelseite spricht DIE ZEIT über eine große Anzahl von Verschwörungstheorien.
Dabei werden die Verschwörungstheoretiker nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern versucht ihren Motiven auf den Grund zu gehen. Denn er sagt auch „solche Theorien knüpfen an Wahrheiten an“ und skizziert die geschichtliche Entwicklung menschlichen Erklärungsversuche mehr oder weniger zufällig stattfindender Ereignisse.
„Ihre wachsende Anhängerschar hat sich von Demokratie und öffentlicher Debatte abgewandt: Sie glaubt, alles sei «von oben» gesteuert…Solches Wissen befriedigt das Bedürfnis, unsere chaotische Zeit dem Verstand zugänglich zu machen. Oder zu erklären, warum man selbst immer wieder zu den Verlierern gehört: Irgendwer hat uns betrogen. Gut, zu wissen, wer! Das bevorzugte Medium für dieses Erleichterungswissen ist das Internet. Dort finden sich Gleichgesinnte in ihren Echokammern, sie fühlen sich nicht mehr allein und bestärken einander in ihrem Wahn.” (Gero von Randow. In: DIE ZEIT. 30.10.14. S.1)
AIDS und Ebola sei laut diesen Verschwörungstheoretikern in US-Geheimlabors erfunden. (vgl. Gero von Randow. In: DIE ZEIT. 30.10.14. S.1)
Eine Woche zuvor schreibt die gleiche Zeitung, Ebola komme eher selten vor und bis vor kurzem hatten sich immer nur ein paar Hundert Menschen zur gleichen Zeit angesteckt. (vgl. DIE ZEIT. 23.10.14)
Die Geschichte der Ebola-Verbreitung aus einem kleinen Dorf irgendwo Afrika nach Europa und Amerika.
Für die großen Pharma-Unternehmen war der Markt nicht attraktiv genug weiter viel Geld in die Erprobung eines Impfstoffes zu investieren. Schon vor zehn Jahren haben Wissenschaftler aus den USA und Kanada eine an Affen zu 100 % wirksame Impflösung gegen Ebola entwickelt, berichtet die New York Times. (Grady. In: NYT. 23.10.14) Aus Kostengründen haben weitere Test zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen beim Menschen nicht stattgefunden. Ein paar tote Afrikaner rechtfertigen die Investition nicht. “There´s never been a big market for Ebola vaccines“ zitiert NYT den Ebola-Experten Thomas W. Geisbert der University of Texas Medical Branch in Galveston. Die Entwicklung eines Impfmittels bis zur Erprobung am Menschen und anschließenden Serienproduktion koste eine gute Milliarden Dollar, so Dr. James E. Crowe Jr, Direktor eines US-Forschungslabors. Das Geld muss schließlich wieder reingeholt werden. Bei ein paar Hundert Ebola-Fällen in Afrika scheint sich das Geschäft bisher nicht gelohnt zu haben.
Das Timing hat nicht gestimmt, die Grundlagen waren bereits geschaffen.
In den 90er Jahren, als der Kalte Krieg gegen die Sowjetunion sich dem Ende neigte, haben Militär und Regierungen plötzlich Interesse an der Herstellung von Impfdosen gegen Ebola und einen verwandten Virus, den Marburg-Virus, gezeigt. Ein sowjetischer Überläufer hatte berichtet, die Russen hätten einen Weg gefunden das Marburg-Virus als biologische Waffe in Raketenträgern einsetzen und militärisch nutzen zu können. (Grady. In: NYT. 23.10.14) Doch der Kalte Krieg kühlte sich ab, die rote Gefahr schien abgewendet.
Der 11. September 2001 kam, der Krieg den Terror begann.
Nach der Verschickung der Anthrax-Briefe in den USA wurde im Zeitalter der terroristischen Bedrohungen mit den „National Institutes of Health“ ein Programm namens Partnerships in Biodefense gestartet, berichtet die NYT. Es wurden enorme Fortschritte bei der Entwicklung der Virenbekämpfung erzielt, doch über Tierversuche ist man aus Kostengründen nicht hinaus gekommen. Die Gefahr schien nicht groß genug.
“It takes a crises sometimes to get people talking. ´O.K. we´ve got to do something here.´” (Dr. Geisbert, Ebola Expert. In: NYT.23.10.14)
Jetzt ist die Krise ist da und tobt auf verschiedenen Schlachtfeldern, Wall-Street, Donezk und im eigenen Körper. Während NATO-Jets mit russischen Kampfflugzeugen in der jüngsten Ukraine-Krise gerade die Abwehr- und Expansionsbestrebungen ihrer Gegner testen, überträgt sich das Ebola-Virus ebenfalls in der Luft und hat bereits 5000 Tote zu verzeichnen.
„Unglaubliche Zufälle haben das Virus stark gemacht.“ (DIE ZEIT. 23.10.14. S.13)
Zehn Monate nach Ausbruch der Seuche sind mindestens 9000 Infektionen und 4500 Todesfälle zu beklagen (vgl. DIE ZEIT.23.10.14) Die Seuche verbreitet sich diesmal außergewöhnlich schnell. Sie ist sogar in Deutschland angekommen, im Leipziger St.-Georg-Krankenhaus stirbt der sudanesische Uno-Mitarbeiter Mohammed A. an der Krankheit. In Dallas, Vereinigte Staaten von Amerika, und Madrid, Spanien, hat sich Pflegepersonal an den Ebola-Patienten angesteckt. (vgl. Spiegel. 20.10.14. S.28) In der ZEIT heißt es in Leipzig stirbt ein Mann aus Liberia. Bisher sei Ebola seit 1976 knapp 30-mal auf Menschen in Afrika übergesprungen. (vgl. DIE ZEIT.23.10.14) Doch diesmal ist es anders, die Zeiten ändern sich. Um der Geschichte der Ebola-Verbreitung auf den Grund zu gehen, hat DIE ZEIT ein Reporterteam an den Ursprungsort im Hinterland von Guinea geschickt. Heraus gekommen ist die Geschichte „Wie das Virus in die Welt kam.“ Dabei machen die Reporter den Vater von patient zero, dem ersten Erkrankten der Epidemie, ausfindig. Das erste Opfer heißt demnach Emile Quamouno und lebt in einem 600-Einwohner Dorf Meliandou. Er stirbt von der Weltöffentlichkeit unbemerkt zwischen Weihnachten und Neujahr, am 28.Dezember 2013. Niemand weiß wie der zweijährige Junge sich an dem Virus angesteckt hat, vermutlich habe er etwas angefasst, was er nicht hätte anfassen sollen.
DIE ZEIT hilft dem Leser den Verbreitungsweg von diesem kleinen Dorf in Westafrika über den halben Kontinent nach Amerika und Europa zu rekonstruieren. Eine Rolle spielen in diesem Drama der Familienstreit zwischen Mutter und Vater vom ersten Opfer Emile, veraltete Testmethoden in seinem Wohnumfeld und falsche Testergebnisse im 12 km entfernten Krankenhaus von Guéckédou. Eine Heilerin wird als Superspreader bzw. Superverbreiter der Viren identifiziert, die im 1,5 Autostunden entfernten Dorf Koindu in Liberia sterben muss. Schließlich lasse sich auch nachvollziehen wie das Virus in das 150 km entfernte Kenema Government Hospital in der 180.000-Einwohner Stadt im Nachbarstaat Sierra Leone gelangt sei. Hier wird das Virus weiter verbreitet. Innerhalb von zwei Monaten habe es das Virus geschafft „eines der besten Krankenhäuser Sierra Leones zu verwüsten.“ (DIE ZEIT. 23.10.14. S.15) Doch wie es von dort in die Hauptstadt, nach Freetown, gelangt ist, bleibt wie so manche Wahrheit auf der Strecke.
„Ende Juli 2014 sind in Westafrika 850 Menschen tot. Mit der Zahl der Opfer nehmen auch die Gerüchte und Anschuldigungen zu. Aber obwohl im Dunkeln bleibt, wie das Virus Freetown erreicht, so scheint doch festzustehen: Es legt die 310 Kilometer innerhalb weniger Stunden zurück. In einem Auto oder Bus, auf einem komfortablen Highway, vergleichbar einer deutschen Bundesstraße.“ (DIE ZEIT. 23.10.14. S.16)
Derweil berichtet der Guardian das laut WHO die ersten Impfversuche in Westafrika im Dezember beginnen werden und Mitte nächsten Jahres voraussichtlich 100.000 Impfdosen zur Verfügung stehen werden.
«The first vaccines to go into frontline trials will be those made by GlaxoSmithKline (GSK) and Johnson & Johnson, but five more will be tested as they become ready. Manufacturers have promised that larger quantities of vaccines will be available than priviously thougt. “The companies have committed to ramp up to millions of doses to be available in 2015, with hundreds of thousends ready in the first half of the year,”she said.» (Boseley, Sarah. In: Guardian. 23.10.14)
So wird an allen Fronten an einer erfolgreiche Bekämpfung des Gegners gerungen – im Labor, dem Krisengebiet und menschlichen Organismus.
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